Der US-Bundesstaat New York will den Konsum von Cannabis legalisieren und damit zwei grosse Probleme auf einen Streich lösen: Zum einen sollen Steuereinnahmen generiert werden, zum anderen will man den strukturellen Rassismus bekämpfen. Was dahintersteckt, weiss der Journalist Thorsten Denkler.
SRF News: Wer wird am meisten von der Legalisierung profitieren?
Thorsten Denkler: Indem Anbau, Besitz und Handel legalisiert werden, sollen möglichst viele Menschen aus den Gefängnissen herausgehalten werden. Dabei soll die Ungerechtigkeit abgeschafft werden, dass vor allem Afroamerikaner wegen des Handels und Gebrauchs von Marihuana hinter Gitter gesteckt werden. Zudem ist Cannabis ein grosses Geschäft: Schätzungen gehen davon aus, dass mit der Droge dereinst allein in New York bis zu sechs Milliarden Dollar umgesetzt werden.
Mit der Legalisierung soll also vor allem der Rassismus bekämpft werden. Wie hängt das konkret zusammen?
Die Zahlen zeigen, dass dem von Ronald Reagan Anfang der 1980er-Jahre gestarteten Kampf gegen die Drogen vor allem Afroamerikaner zum Opfer gefallen sind.
Dem Kampf gegen die Drogen sind vor allem Afroamerikaner zum Opfer gefallen.
Zwar ist der Konsum von Marihuana laut Studien in allen Bevölkerungsgruppen ungefähr gleichmässig verteilt. Doch im Gefängnis landen vor allem Schwarze. Inzwischen befinden sich in den USA insgesamt rund 1.4 Millionen Menschen hinter Gittern – und in sehr vielen Fällen hat das mit dem Kampf gegen Drogen zu tun.
Wie ist diese Ungleichbehandlung zwischen weissen und schwarzen US-Amerikanern möglich?
Ein Faktor ist etwa die höhere Polizeidichte in Quartieren, in denen die Kriminalitätsdichte höher ist. So gibt es etwa in Teilen Brooklyns grundsätzlich mehr Polizeikontrollen als etwa in der Upper Westside. Das heisst aber nicht, dass in der Upper Westside weniger Cannabis geraucht würde als in Brooklyn. Weil in Brooklyn aber mehr kontrolliert wird, ist die Chance für einen schwarzen Mann, wegen Cannabis verhaftet zu werden, einfach viel grösser, als für einen Weissen in der Upper Westside.
Was sind die Folgen dieser Praxis?
Für die Gesellschaft sind sie massiv. Denn ein eingesperrter Mensch kann kein eigenes Einkommen erzielen. Auch sind die Haftstrafen im Vergleich zu Europa mit bis zu zehn oder 15 Jahren für Cannabis-Vergehen extrem hoch. Dadurch werden Existenzen, Familien und Leben zerstört. Ich wohne in Crown Heights, wo der Anteil der schwarzen Bevölkerung relativ gross ist. Hier gibt es kaum eine Familie, die nicht einen Angehörigen hat, der wegen Drogenbesitzes schon im Gefängnis war.
Durch die Kriminalisierung werden Existenzen, Familien und Leben zerstört.
Die Betroffenen finden nach der Haft oft keine Arbeit, keine Wohnung oder erhalten keine Geschäftskredite. All das für ein bisschen Spass mit Marihuana. Viele US-Bundesstaaten haben das Problem inzwischen erkannt und die Droge legalisiert.
Ändert die Cannabis-Legalisierung etwas am Grundproblem des strukturellen Rassismus in den USA?
Nein. Aber es ist immerhin ein Schritt in die richtige Richtung, der auch funktioniert. Das zeigen die Zahlen. Der strukturelle Rassismus hat etwa auch zur Folge, dass nur wenige Afroamerikaner eigene Geschäfte eröffnen und auf eigenen Füssen stehen. Ein Grund dafür liegt darin, dass die Banken ihnen kaum Geschäftskredite geben. In der Tat zeigen Untersuchungen, dass ein Afroamerikaner bei gleichen Ausgangsbedingungen weniger Chancen hat, einen Kredit zu erhalten, als ein Weisser.
Das Gespräch führte Marlene Oehler.