Was bisher geschah: Nach den jüngsten Raketen- und Atomtests hat US-Präsident Donald Trump Nordkorea davor gewarnt, die USA weiter zu bedrohen. Wenn Nordkorea seine Drohungen fortsetze, werde diesen mit «Feuer, Zorn und Macht begegnet, wie es die Welt so noch nicht gesehen hat», sagte Trump. Nur wenige Stunden später folgte der rhetorische Gegenschlag aus Pjöngjang: Die nordkoreanische Führung drohte mit einem Präventivschlag und einem Raketenangriff auf die US-Pazifikinsel Guam.
Die Streitkräfte zögen eine solche Attacke «ernsthaft in Erwägung», meldete die staatliche Nachrichtenagentur KCNA. Laut einem nordkoreanischen Armeesprecher könne der Plan «jederzeit» ausgeführt werden, sobald Staatschef Kim Jong-Un die Entscheidung dazu treffe. Die USA sollten ihre «rücksichtslosen militärischen Provokationen» gegen Nordkorea unterlassen, sodass man nicht «gezwungen» sei, eine «unvermeidliche militärische Entscheidung» zu treffen, sagte der Sprecher weiter.
Später hiess es auch noch, Nordkorea werde auf einen möglichen «Präventivkrieg» der US-Streitkräfte mit einem «grenzenlosen Krieg» reagieren, der «sämtliche Stützpunkte des Gegners ausrotten wird, auch auf dem US-Festland.»
Das könnte mit ein Grund für die Eskalation sein: Am Abend hatte die Zeitung «Washington Post» einen Bericht veröffentlicht, laut dem es Nordkorea bereits gelungen sein könnte, einen Atomsprengkopf herzustellen, der kompakt genug ist, um mit einer Rakete abgeschossen zu werden.
Nordkorea habe einen entscheidenden Schritt auf dem Weg zur vollwertigen Atommacht getan. Die Zeitung zitiert US-Geheimdienstmitarbeiter, ohne Namen zu nennen. Auch ein Bericht der japanischen Regierung bezeichnete die Fortschritte im nordkoreanischen Atomprogramm als bedeutend.
Wieso gerade Guam? Die nordkoreanischen Drohungen nehmen direkt Bezug auf die US-Luftwaffenbasis Anderson auf Guam, von der die Vereinigten Staaten immer wieder strategische Bomber des Typs B-1 zu Militärmanövern in Richtung koreanische Halbinsel entsendet haben. Auch ein U-Boot-Verband und das US-Raketenabwehrsystem Thaad sind auf Guam stationiert.
Gouverneur von Guam beruhigt die Bevölkerung
Nordkorea erwägt einen Angriff mit ballistischen Raketen des Typs Hwasong-12, um die US-Streitkräfte auf Guam und ihre dort stationierten Bomber in Schach zu halten – schliesslich sei die Insel der potenzielle «Ausgangspunkt für eine Invasion in Nordkorea», meldete die staatliche Nachrichtenagentur KCNA.
Pjöngjang rechtfertigte dies mit einer Mobilisierung des US-Atomwaffenarsenals sowie jüngsten US-Raketentests und Übungen mit Langstreckenbombern über Südkorea. «Solche Militärmanöver der USA könnten in der momentan extrem heiklen Situation auf der koreanischen Halbinsel einen gefährlichen Konflikt provozieren», hiess es.
So fallen die Reaktionen aus: Politiker und Diplomaten in Washington, New York und Peking setzen nun alles auf eine Deeskalation der Lage. Auch Australiens Premierminister Malcolm Turnbull warnte eindringlich vor einer kriegerischen Eskalation der Lage. «Ein Konflikt wäre vernichtend», sagte Turnbull vor Journalisten in Canberra. «Er hätte katastrophale Konsequenzen. Das ist uns allen klar.»
Die politischen Eliten in Washington distanzierten sich vor allem von Trumps Äusserungen. Der Demokrat Eliot Engel, Mitglied im Aussenausschuss des Repräsentantenhauses, sagte laut CNN, Trump verspiele die Glaubwürdigkeit der USA mit seiner unangemessenen Reaktion. «Machen wir uns nichts vor: Nordkorea ist eine reale Bedrohung. Aber die gestörte Reaktion des Präsidenten deutet an, dass er in Erwägung zieht, als Antwort auf die böse Bemerkung eines nordkoreanischen Despoten amerikanische Atomwaffen einzusetzen.»
Auch der aussenpolitisch profilierte US-Senator John McCain mahnte Trump zur Zurückhaltung. «Die grossen Führer, die ich kenne, sprechen keine Drohungen aus, solange sie nicht bereit zum Handeln sind», sagte der Republikaner dem US-Radiosender KTAR. «Und ich bin nicht sicher, dass Präsident Trump bereit zum Handeln ist.»
Wie wahrscheinlich ist ein Angriff? Der Konflikt mit dem kommunistisch regierten Land gilt als der derzeit gefährlichste der Welt. Japan und Südkorea sind Verbündete der USA, dem Erzfeind der Führung in Pjöngjang. Beide Länder fühlen sich durch das Atom- und Raketenprogramm Nordkoreas zunehmend bedroht. In Seoul hat das konkrete Folgen: Unter dem Eindruck der Gefahr aus dem Norden rief Südkoreas Präsident Moon Jae zu einer tiefgreifenden Reform der eigenen Streitkräfte auf. Demnach will Südkorea unter anderem Raketen mit höherer Sprengkraft anschaffen, um unterirdische Bunker zerstören zu können. Das könnte den Konflikt noch weiter verschärfen.
Zusätzlich ist laut USA-Mitarbeiter Arndt Peltner kaum abzuschätzen, wie weit Trump und Kim offen für Beratungen sind. Kommentatoren in den USA erklärten, Trump habe sich gerade für eine Situation wie diese mit einigen Generälen in seiner Administration umgeben. Sie sind zum einen kriegserfahren, behalten aber auch einen kühlen Kopf bei solchen Drohgebärden. Sie haben nun die Aufgabe, den Präsidenten zu beraten und die Wortgefechte zwischen Pjöngjang und Washington zu beenden. Problematisch könnte vor allem das jährliche Manöver der USA mit Einheiten Südkoreas im August werden. Nordkorea wird das sicher als Provokation vor der eigenen Grenze sehen.