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Neue Enthüllungen belasten ehemaligen Papst schwer
Aus Echo der Zeit vom 10.03.2023. Bild: AP Photo/Massimo Sambucetti
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Kindesmissbrauch vertuscht? «Die Reaktionen in Polen auf Papst-Enthüllungen sind heftig»

Die Vorwürfe sind happig: Papst Johannes Paul der II. soll in seiner Zeit als Erzbischof von Krakau von sexuellem Kindesmissbrauch in der römisch-katholischen Kirche gewusst – und Fälle aktiv vertuscht haben. Diese Anschuldigungen erheben dieser Tage erneut Journalisten. Bei vielen in Polen kommen diese Enthüllungen gar nicht gut an, die Reaktionen fallen teils ungeahnt heftig aus.

Sarah Nowotny

Osteuropa-Korrespondentin

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Sarah Nowotny ist Osteuropa-Korrespondentin für SRF. Sie lebt in der polnischen Hauptstadt Warschau. Seit 2014 ist Nowotny bei Radio SRF tätig. Zuvor arbeitete sie für die «NZZ am Sonntag» und «Der Bund».

SRF News: Was ist an den Vorwürfen dran, die nun publik geworden sind?

Sarah Nowotny: Wojtyla, so hiess er, als er noch Erzbischof von Krakau war, wusste höchstwahrscheinlich, dass einige ihm untergebene Priester pädophile Neigungen hatten. Dies haben ein polnisches Journalistenteam und ein niederländischer Buchautor unabhängig voneinander behandelt und neue Belege in drei Fällen gefunden.

In diesen gibt es entweder Gerichtsurteile, also ein Priester wurde als Pädophiler verurteilt, Zeugenaussagen oder Dokumente, die zeigen, dass diese Priester eben Kinder missbrauchten; und Wojtyla dies wusste. Er hat die Priester zwar versetzen lassen, in einem Fall sogar ins Ausland. Später aber konnten sie, auch das sozusagen mit dem Einverständnis Wojtylas, wieder mit Kindern arbeiten.

Die Frage dahinter ist: Warum kann man mit diesem längst verstorbenen Papst in Polen Stimmen holen?

Wie fallen die Reaktionen in Polen aus?

Zumindest die Reaktion der Regierung in Polen ist ungeahnt heftig, und zwar pro Wojtyla, pro Papst Johannes Paul II. Die kleinste Geste dabei ist, dass am Donnerstagabend ein riesiges Foto des Papstes auf den Präsidentenpalast projiziert wurde. Das polnische Parlament hat zudem eine Resolution verabschiedet, dass man den Papst verteidigen müsse. Natürlich hat das alles keine konkreten Auswirkungen.

Johannes Paul II. ist seit fast 20 Jahren tot. Nun folgen diese heftigen Reaktionen aus den Reihen der Politik. Warum diese massive Empörung?

Weil dieses Jahr in Polen gewählt wird und weil die Regierung darauf hofft, dass sie mit der Verteidigung des polnischen Papstes Stimmen bekommt. Die Frage dahinter ist: Warum kann man mit diesem längst verstorbenen Papst in Polen Stimmen holen? Die Kirche war während eines Grossteils des 20. Jahrhunderts ein wichtiger Ort in Polen.

Die Kirche selbst hat viel besonnener reagiert als die Politik.

Als das Land unter russischer kommunistischer Fremdherrschaft stand, war die Kirche derjenige Ort, an dem die polnische Kultur unter anderem überleben konnte. Hier spielte Wojtyla eine wichtige Rolle. Als er 1979, bereits als Papst, Polen besuchte, galt seine Rede als Aufruf zum Widerstand gegen die Kommunisten und als Anfang des Endes des Kommunismus.

Gibt es auch Stimmen, welche das Ganze etwas besonnener sehen?

Es gibt Kommentatoren, die sagen, dass der Papst in Polen eine wichtige Figur bleiben und trotzdem Makel haben könne. Und wiederum einige versuchen zu erklären, dass Wojtyla so gehandelt habe, also Pädophile geschützt habe, weil er unbedingt die Kirche schützen wollte, welche von den Kommunisten unter Druck war. Davon kann man halten, was man will.

Was aber in diesem Zusammenhang wichtig zu sagen ist, ist, dass die Journalisten, welche die Fälle untersucht haben, sich auf kommunistische Archive abstützten. Und hier muss man vorsichtig sein, weil man durchaus davon ausgehen kann, dass in diesen Archiven Dinge sind, die der Kirche schaden sollten. Trotzdem ist es sehr plausibel, auch wegen der Zeugenaussagen, dass Wojtyla Bescheid wusste und Pädophile gedeckt hat. Die Kirche selbst hat viel besonnener reagiert als die Politik. Sie schreibt, dass man noch weiter forschen müsse. Allerdings öffnet die Kirche selbst ihre eigenen Archive nicht.

Das Gespräch führte Christina Scheidegger.

Echo der Zeit, 10.03.2023, 18:00 Uhr ; 

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