Leicht fällt Finnland die Umstellung von fossilen auf nicht-fossile Energieträger nicht. Lange setzte das Land nach dem Zweiten Weltkrieg auf die Lieferung von Kohle, Öl und Gas aus der benachbarten Sowjetunion. Dann wurden mit Unterstützung Moskaus in den 70er-Jahren vier Atommeiler gebaut. Sie versorgen das nordische Land bis heute mit gut einem Drittel der benötigten Elektrizität.
Doch während die meisten anderen europäischen Staaten seit der Jahrtausendwende einen Einstieg in den Ausstieg beschlossen, wählte das nördlichste EU-Mitgliedsland mit gut fünf Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern einen anderen Weg: Es beschloss im Jahre 2002 den Bau eines neuen Atomkraftwerks. Und das in einem Land, in dem die grüne Partei – traditionell der Atomenergie wenig positiv gesinnt – als erste in Europa seit 1995 der nationalen Regierung angehört.
Wir befürworten jetzt alle kohlenstoffarmen Energiequellen, dazu gehört auch die Nuklearenergie.
Zweimal haben die Grünen in der Folge wegen umstrittenen Beschlüssen in Sachen Atomenergie die grosse finnische Koalition verlassen – um dann jeweils nach den nächsten Wahlen wieder einzutreten. Unterdessen, so betont der grüne Parlamentsabgeordnete Atte Harjanne, habe sich seine Partei ein pragmatischeres energiepolitisches Programm verpasst: «Wir befürworten jetzt alle kohlenstoffarmen Energiequellen, dazu gehört auch die Nuklearenergie», sagt der Politiker und Klimaforscher.
Erstes Endlager weltweit im Bau
Konkret steht nun Finnland vor zwei grösseren Meilensteinen. Soeben wurde bekannt, dass das erste neugebaute Atomkraftwerk Europas seit 25 Jahren in genau einem Jahr ans Netz gehen darf. Gleichzeitig wird im Untergrund in der Nähe des neuen Atommeilers das erste Endlager weltweit für hoch radioaktive Atomabfälle gebaut.
Damit sind auch aus Sicht der finnischen Grünen die Voraussetzungen dafür geschaffen, mithilfe der Kernenergie die Umstellung auf nicht fossile Energieträger zu schaffen: «Wir sind auf gutem Wege mit unserer Energiepolitik», sagt der grüne Abgeordnete Atte Harjanne.
Atommeiler ist zweitteuerstes Gebäude der Welt
Der finnische Weg zur klimaneutralen Energieproduktion hat aber auch Kosten: Alleine der Bau des neuen Atommeilers in Olkiluoto, der fast 15 Jahre lang gedauert hat, kostete bislang fast zehn Milliarden Franken. Eine finnische Zeitung hat ausgerechnet, dass es damit das zweitteuerste Gebäude der Welt ist – nach dem Abraj al-Bait Hotelkomplex im saudischen Mekka, der zwölf Milliarden gekostet hat.