Innerhalb der Europäischen Union in «fremden» Gewässern zu fischen, war bislang kein Problem, solange die vereinbarten Fangquoten eingehalten wurden. Mit dem Brexit wurde das aber zu einem Problem, denn Grossbritannien beansprucht seine Küstenmeereszone für sich. «Die anderen Länder dürfen bis sechs Meilen vor unserer Küste fischen, wir dürfen aber nur zwölf Meilen an ihre Küste ran. Das ist nicht fair!», schimpft Jason Adams.
Die sollen auf ihrer Seite bleiben, wir bleiben auf unserer.
Der Fischer aus Hastings ist wie alle britischen Fischer ein flammender Brexit-Befürworter. Er hofft, dass künftig die Fangzonen wieder in der Mitte geteilt werden. «Die sollen auf ihrer Seite bleiben, wir bleiben auf unserer.»
Fischreichste Gewässer
Mit «die» sind in erster Linie die Franzosen gemeint. Fast jedes zweite bretonische Fischerboot fährt regelmässig in britische Gewässer, die zu den fischreichsten der Welt gehören. Die Bretagne repräsentiert zusammen mit der Normandie 75 Prozent des französischen Fischereisektors mit einem Umsatz von 110 Millionen Euro (2017) – realisiert in britischen Zonen.
Vom französischen Fisch allein kann man nicht leben.
«Vom französischen Fisch allein kann man nicht leben», gibt Soazig Palmer-Le Gall freimütig zu. Als Eignerin von elf Schiffen und Präsidentin der bretonischen Fischervereinigung bangt sie um die Zukunft der ganzen Region: «Ein Arbeitsplatz auf dem Meer generiert deren vier an Land.»
Kein Zugang mehr zu britischen Gewässern könne für viele Fischer und damit auch für Zulieferer das Ende bedeuten.
56 Jahre altes Abkommen
Das Abkommen, wonach auch andere EU-Länder vor der Küste Grossbritanniens fischen dürfen, stammt aus dem Jahr 1964. Damals seien die Briten gegen territoriales Denken gewesen und hätten selbst vor Island und Norwegen gefischt, sagt Fischereirechts-Experte Griffin Carpenter.
Britischer Fisch diente schliesslich als «Gegengeschäft» für EU-Landwirtschaftssubventionen im fein austarierten System von Geben und Nehmen in der EU. «Doch seither hat sich vieles geändert. Die Isländer haben die Briten aus ihrem Territorium ausgeschlossen und nun wollen auch die Briten ihre Gewässer verteidigen.»
Kein Fisch, kein Deal
Allerdings hätten die britischen Fischer durchaus Interesse, einen Kompromiss zu finden: 80 Prozent ihres Fangs wird in die EU exportiert. Was also, wenn die EU Zölle erhebt und britischer Fisch teuer und unattraktiv wird? «Dann kaufen wir einfach keine französischen Autos mehr», meint Fischer Adams trotzig.
Die Fischindustrie steuert zwar nicht einmal ein Prozent an die Gesamtwirtschaft der beiden Länder bei. Für die Briten aber gilt sie als Symbol, wie «unlautere Konkurrenz» aus dem Ausland die einheimische Wirtschaft übervorteilt. Dabei geht es für die Fischer auf beiden Seiten des Ärmelkanals ums Überleben.