Mit den Kommunalwahlen in der Türkei wollte Präsident Recep Tayyip Erdogan zeigen, wie populär er ist. Diese Rechnung ist nicht aufgegangen. Erdogan selbst verkündete am späten Abend zwar den Sieg seiner Partei – gleichzeitig schlug er aber einen ungewohnt selbstkritischen Ton an. Denn insbesondere in den Wirtschaftszentren des Landes hat seine Partei schwere Verluste erlitten. Das kratze arg am Image des erfolgsverwöhnten Präsidenten, sagt die Journalistin Inga Rogg. Politisch werde sich aber kaum etwas ändern.
SRF News: Was bedeutet die Kommunalwahl für Erdogan?
Er hat diese Wahl im Grunde genommen zu einer Wahl über sich gemacht. Es ist eine wahnsinnige Schlappe für Erdogan. Seine Partei hat ungefähr einen Drittel der Regionen, die sie bisher gehalten hat, verloren. Für den erfolgsverwöhnten Politiker, der in 25 Jahren nur gewonnen hat, hat es zum ersten Mal eine richtig deftige Niederlage abgesetzt.
Wieso dieser Gegenwind für Erdogans AKP?
Die Wirtschaft hat sicher eine Rolle gespielt. Die AKP hat etwa das Touristenzentrum an der Mittelmeerküste Antalya, dann aber auch andere wichtige Wirtschaftszentren wie die Hauptstadt oder die beiden Hafenstädte Mersin und Adana verloren.
Die Frage ist, welche Dynamik die Niederlage innerhalb der AKP auslösen wird.
Darüber hinaus haben aber auch ganz grundsätzliche politische Fragen eine Rolle gespielt. Das sagten mir am Sonntag Wähler, die gegen Erdogan gestimmt haben. Es gehe ihnen um Freiheit und Gerechtigkeit.
Welche Parteien konnten von der Niederlage der AKP profitieren?
Von den 14 Regionen, die die AKP verloren hat, ging die Hälfte an die grösste Oppositionspartei – die CHP. Die andere Hälfte ging an Erdogans Koalitionspartner, die ultrarechte MHP. Aber die CHP hat in den grossen Städten wie Ankara gewonnen und möglicherweise auch in Istanbul.
Im Wahlkampf hat Erdogan damit gedroht, dass er Bürgermeister auch wieder absetzen könnte.
Dort hat der CHP-Kandidat bereits den Sieg erklärt. Aber die AKP behauptet, sie habe knapp gewonnen. Dass Erdogans eigener Koalitionspartner so gut abgeschnitten hat, ist ein Zeichen dafür, dass viele Wähler Erdogan einen Denkzettel verpassen wollten. Auch wenn sie nicht die Opposition wählen wollten, die Erdogan schwerstens diffamiert hat.
Trotzdem bleibt die AKP stärkste Partei im Land. Ändert sich politisch überhaupt etwas?
Eigentlich ändert sich nichts. Durch das Präsidialsystem, das letztes Jahr eingeführt wurde, bleibt Erdogan Präsident bis 2023. Die Macht ist stark zentralisiert. Im Wahlkampf hat Erdogan damit gedroht, dass er Bürgermeister auch wieder absetzen könnte. Die Frage ist aber, welche Dynamik die Niederlage innerhalb der AKP auslösen wird. Da rumort es immer wieder und dies schwächt Erdogan innerhalb der eigenen Partei und auch innerhalb der Koalition. Es lässt sich aber noch nicht abschätzen, wohin das führt.
Dsa Gespräch führte Roger Aebli.