- Die türkische Regierungspartei AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan könnte bei der Kommunalwahl ausgerechnet die Hauptstadt Ankara verlieren.
- Es wäre die erste Niederlage seit der Regierungsübernahme vor 16 Jahren.
- Um den Wahlausgang in der Millionenmetropole Istanbul ist ein Streit entbrannt.
Nach Auszählung fast aller Stimmen lag in Ankara Mansur Yavas von der Oppositionspartei CHP mit 50,9 Prozent fast vier Punkte vor dem Kandidaten der AKP, der Partei von Präsident Erdogan.
Knapp fällt das Ergebnis in der Wirtschaftsmetropole Istanbul aus: Hier kommt der AKP-Kandidat TV-Sendern zufolge nur auf einen Vorsprung von 4000 Stimmen - bei insgesamt acht Millionen abgegebenen Wahlzetteln. Sowohl AKP als auch die Opposition reklamierten den Sieg für sich. Erdogan sagte in Ankara vor Anhängern: «Auch wenn unsere Leute das Bürgermeisteramt verloren haben, haben sie die Stadtviertel an die AK-Partei gegeben.» Die Partei werde falls nötig das Ergebnis anfechten.
Wahlbehörde stoppt Bekanntgabe von Ergebnissen
Sollte die Regierungspartei in Istanbul hinter der Opposition bleiben, wäre das eine herbe symbolische Niederlage. In der Stadt am Bosporus hatte Erdogan in den 1990er-Jahren als Bürgermeister seine politische Karriere begonnen. Erdogan sagte, seine Regierung werde sich nun auf die Umsetzung eines starken Programms für die Wirtschaft konzentrieren.
Landesweit blieb die AKP mit zunächst rund 45 Prozent aller ausgezählten Stimmen die stärkste Partei. Die Wahlbehörde YSK hatte um kurz nach 23.00 Uhr Ortszeit aufgehört, Wahlergebnisse zu veröffentlichen. Da waren gerade mal 91 Prozent der Stimmen ausgezählt. Ob sie die Resultate heute Montag nachliefern will, blieb zunächst unklar.
AKP verliert offenbar in Antalya und Adana
Die Verluste waren wohl auch eine Reaktion auf die schlechte wirtschaftliche Lage, die viele Menschen in der Türkei verängstigt und erbost. Die Lira hat massiv an Wert verloren, die Zahl der Arbeitslosen stieg innerhalb eines Jahres um rund eine Million und die Inflation um rund 20 Prozent. Lebensmittel wurden besonders teuer.
Nach den letzten verfügbaren Teilergebnissen von Anadolu verloren die AKP und ihr Bündnispartner MHP ausserdem die Touristen-Hochburg Antalya und das südtürkische Adana an die Opposition. Die Küstenmetropole Izmir ging erneut klar an die CHP, sowie sämtliche Provinzen an der Westküste der Türkei. Die AKP dominierte wie auch bei vergangenen Wahlen Zentralanatolien.
Berichte über Unregelmässigkeiten
Rund 57 Millionen Türken waren am Sonntag aufgerufen, in 81 Provinzen Bürgermeister, Gemeinderäte und andere Kommunalpolitiker zu wählen. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 84 Prozent.
Oppositionelle Medien wie Bianet oder Dokuz8Haber berichteten von Unregelmässigkeiten - das Ausmass der Wahlmanipulationen war aber nicht unmittelbar absehbar. Besonders aufmerksam schauten Wahlbeobachter in den kurdisch-dominierten Osten, wo die grosse pro-kurdische Oppositionspartei HDP besonders stark ist. Hier gewann die HDP nach Teilergebnissen einige Gemeinden unter Zwangsverwaltung zurück.