Seit Ende der Sowjetunion kommt die kleine Region Berg-Karabach im Südkaukasus nicht zur Ruhe. Das Gebiet – kleiner als der Kanton Wallis – ist Zankapfel zwischen Armenien und Aserbaidschan, derzeit wird wieder zum Teil heftig gekämpft.
Eine Konfliktpartei, Aserbaidschan, ist schon seit Jahren im Fokus der Schweizer Wirtschaft. Sowohl was Exporte, wie auch Importe betrifft.
Das autokratisch regierte Land am kaspischen Meer gilt als korrupt – gesegnet mit grossen Öl- und Gasvorräten. Es betreibt über die staatliche Energiegesellschaft Socar gut 170 Tankstellen in der Schweiz. Ist das moralisch vertretbar?
Wirtschaftsbeziehungen werfen Moralfrage auf
Dennoch nehmen die wirtschaftlichen Beziehungen der Schweiz zu Aserbaidschan stetig zu. Vergangenes Jahr exportierte die Schweiz Waren im Wert von 1.2 Milliarden Franken ans kaspische Meer.
2012 eröffnete die asarbaidschanische Ölgesellschaft Socar hierzulande über 170 Tankstellen. Damals hatte Socar ambitionierte Wachstumsziele. «Wir wollen in den nächsten Jahren unter die ersten Drei kommen, das ist unser erklärtes Ziel», sagte damals Edgar Bachmann, Chef Socar Schweiz.
Die Schweiz im Interessenskonflikt
Für Oliver Classen von der Nichtregierungsorganisation Public Eye pflegt die Schweiz zu leichtfertige Beziehungen zu einem Unrechtsstaat, in dem Korruption an der Tagesordnung sei.
Wir wünschen, dass die Schweiz endlich für Menschenrechte und Konfliktlösen gleich viel Engagement an den Tag legt wie für Ansiedlungspolitik oder Deals von ihren Unternehmen.
Die Schweiz habe eine humanitäre Tradition, die immer in Konflikt zu den Wirtschaftsinteressen sei, seit jeher. «Die Aussenpolitik ist inkohärent, das beklagen wir schon lange. Wir würden uns wünschen, dass die Schweiz endlich für Menschenrechte und Konfliktlösen gleich viel Engagement an den Tag legt, wie für Ansiedlungspolitik oder Deals von ihren Unternehmen».
Schweizer Ölfirmen halten sich raus
Zu den Konflikten und Menschenrechtsverletzungen in Aserbaidschan will Socar Energy Schweiz keine Stellung nehmen. Auch Umsatzzahlen gibt das Unternehmen keine bekannt.
Auch Avenergy – ehemals Schweizer Erdölvereinigung – will zur Situation in Aserbaidsachan keine Stellung nehmen. Stellte aber bereits vor Jahren klar, dass die Schweizer Wirtschaft in diesem Konflikt keine Verantwortung übernehmen müsse.
Wir müssen Arbeitsplätze sicherstellen. Dort hat es relativ wenig Platz für moralisch ethische Überlegungen.
Niklaus Boss ist ehemaliger Geschäftsführer der Erdöl-Vereinigung. «Unsere Aufgabe ist es, die Energieversorgung der Schweiz sicherzustellen.» Gleich wie die Exportwirtschaft müssten sie Arbeitsplätze gewährleisten. «Dort hat es relativ wenig Platz für moralisch-ethische Überlegungen. Wir verkehren auch in weiteren Bereichen mit anderen Ländern, bei denen man auch nicht die Musterdemokratie à la Suisse annehmen kann.»
Die Wirtschaftbeziehungen mit Aserbaidschan seien generell für beide Länder wichtig, sagt die ehemalige FDP-Ständerätin und Kaukasus-Kennerin Christine Egerzegi. Die Schweiz sei ein neutrales Land, und habe zu ganz vielen Ländern Geschäftsbeziehungen.
«Wenn man wirklich strikt darauf schaut, dass man mit einem solchen Land nicht geschäften darf, kann man mit grossen Teilen Südamerikas, Afrikas und Asiens nicht mehr Geschäfte machen.»
Weder der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse noch der Bund wollten die heiklen Beziehungen zu Aserbaidschan kommentieren. Die zuständigen Bundesämter schreiben, man beobachte aber die Situation.