Im nordirischen Londonderry – auch Derry genannt – ist am Sonntag vor einer Woche eine Autobombe hochgegangen. Die Beschädigungen sind auch Tage später noch deutlich zu sehen.
Verletzt wurde niemand. Die Polizei vermutet, dass eine militante Untergrundorganisation namens «New IRA» dahintersteht.
Die Bombe erinnert an den Bürgerkrieg in Nordirland, der während drei Jahrzehnten tobte. Über 3500 Menschen starben. Die katholische Bevölkerung fühlte sich unterdrückt und wollte zur Republik Irland gehören. Die IRA – die irisch-republikanische Armee – kämpfte mit Waffengewalt dafür.
Auf der anderen Seite kämpften protestantische Unionisten und die britische Armee. Die Lage normalisierte sich erst nach dem sogenannten Karfreitagsabkommen, dem Friedensabkommen von 1998.
Gleich vor solchen Gemälden demonstrieren Aktivisten mit irischen Fahnen, sie fordern ein vereinigtes Irland. Sie lehnen das Friedensabkommen ab. Unter ihnen auch Patrick Gallagher, der Sprecher der radikalen Partei Saoradh: «Wir leben unter britischer Besatzung. Wir wollen ein vereinigtes Irland.»
Saoradh wird nachgesagt, der militanten Untergrundorganisation «New IRA» nahezustehen. Gallagher distanziert sich von der «New IRA», aber er verurteilt Gewaltakte wie die Autobombe nicht klar: «So lange wir unter britischer Besatzung leben, kann es zu solchen Attacken kommen.»
Und er geht noch weiter: «Wenn der Brexit Installationen an der Grenze zur Folge hat, dann werden diese wohl auch attackiert. Denn Grenzposten wären ein Symbol der britischen Besatzung.»
Und genau deshalb wollen viele in der Region eine sichtbare Grenze mit Barrieren oder Gebäuden verhindern. Während des Bürgerkrieges waren viele Strassen gesperrt, oftmals kontrollierte die britische Armee die Übergänge.
Beim Friedensabkommen wurde beschlossen, dass die Grenzen offen sind, also de facto unsichtbar. So lange Nordirland und Irland beide in der EU waren, gestaltete sich dies problemlos.
Wenn da auch nur ein einziges Gebäude steht, würde es innert Kürze beschossen werden.
Eamonn McCann ist langjähriger Bürgerrechtler in Londonderry, der Friedensprozess liegt ihm am Herzen. Er sagt: «Gruppen wie die New IRA, sind nicht gross und sie haben nur wenig Rückhalt. Aber mit der Autobombe haben sie ein Zeichen gesetzt und gesagt: Es gibt uns.»
Deshalb warnt er vor einem sogenannt harten Brexit, der Grenzinstallationen zur Folge hätte. Es wäre ein gefundenes Fressen für solche Splittergruppen: «Wenn da auch nur ein einziges Gebäude steht, würde es innert Kürze beschossen werden.»
Mit Ausschreitungen wie damals rechnet niemand. Doch bereits kleine Unruhen wären ein Rückschritt im Friedensprozess. Das wäre fatal, denn Stabilität ist für die Menschen und die lokale Wirtschaft äusserst wichtig. Noch immer gehört die Region zu den ärmsten im ganzen Land. Erst langsam erholt sie sich vom früheren Konflikt.