Wer das Havanna-Syndrom mit Mojito, kubanischer Musik, Strand, Meer oder Sand in Verbindung sieht, liegt falsch. Das Syndrom wird auch Diplomatenkrankheit genannt. Dies, weil vor allem Diplomaten darunter leiden. Und nun gibt es erstmals Berichte, dass auch in Genf Leute davon betroffen sind.
Die US-Regierung nimmt die Fälle ernst, wie Regierungssprecherin Jen Psaki bereits im vergangenen Herbst klarmachte.
Kopfschmerzen, Übelkeit, Verwirrtheit
Thomas Müller beschäftigt sich mit dem Syndrom. Er ist Medizinjournalist beim Springer-Medizinverlag in Deutschland, zu seinem Spezialgebiet gehört die Neurologie. Die Krankheit beginnt mit einem stechenden Geräusch, das anhaltend ist, sehr laut und sehr hoch.
«Das Geräusch wird als sehr unterschiedlich empfunden. Die Menschen empfinden dann Kopfschmerzen, Übelkeit oder Verwirrtheit. Die Beschwerden wurden nach einer gewissen Zeit grösser, die Menschen berichteten von Gedächtnisproblemen, auch anhaltende Gleichgewichtsprobleme wurden gemeldet», sagt Müller.
Vieles über die Hintergründe ist unklar. Es gibt verschiedenste Theorien. Zum Beispiel, dass irgendjemand mit Schall oder anderen Dingen den Diplomaten ganz bewusst schaden, und ihnen diese gesundheitlichen Probleme zufügen will. Sicher ist – gerade die US-Regierung nimmt das Problem sehr ernst.
Wer steckt dahinter?
Wer möchte mit einem solchen Syndrom den Diplomaten Schaden zufügen? «Auffallend ist, dass sich die Amerikaner bisher stets gehütet haben, mit dem Finger auf jemanden zu zeigen», sagt Fredy Gsteiger, diplomatischer Korrespondent bei SRF.
«Naheliegend wäre, wenn man auf Russland deuten würde, aufgrund der offensichtlichen und grossen Spannungen aktuell. Dies haben die Amerikaner aber bisher nicht gemacht», so Gsteiger. Die Vielzahl der Vorfälle würde darauf hindeuten, dass hinter den Vorfällen kein x-beliebiges Land stehe, sondern ein Land, welches über beträchtliche Mittel verfüge. «Es muss aber nicht zwangsläufig ein Staat sein, es könnte sich auch um eine Terrororganisation mit beträchtlichen Mitteln handeln.»
Neben den grösseren Vorfällen kommt es auch zu kleineren Schikanen, wie Gsteiger erzählt: «Vor vier bis fünf Jahren gab es viele Schuldzuweisungen der USA und Russland. Man hat sich gegenseitig beschuldigt, die Diplomaten zu schikanieren und zu observieren.» Das Havanna-Syndrom beschäftige die Diplomaten aktuell. «Viele stellen sich die Fragen, ob diese Vorfälle zum künftigen Berufsalltag gehören werden.»
Die Angst geht also um – nicht nur unter den Diplomaten, sondern bis hinauf zum US-Präsidenten. Dieser hat veranlasst, dass das Phänomen genauer untersucht wird. Haben diese Untersuchungen bereits was gebracht? «Es kann sein, dass das Ganze im Sande verlaufen wird. Viele der genannten Symptome könnten beispielsweise heutzutage auch auf Long Covid zutreffen», so Medizinjournalist Thomas Müller.
Bloss eine Verschwörungstheorie?
Online kommt vermehrt auch die Theorie auf, dass es sich beim Havanna-Syndrom um eine Verschwörungstheorie handeln könnte. Was meinen die beiden Experten dazu? «Man kann sich vieles einbilden, also auch, dass es psychisch erklärbar ist. Weil man eben nicht die stichfesten neurologischen Befunde hat», so Thomas Müller.
«Nachdem die Angriffe an sehr vielen Orten stattgefunden haben, muss man davon ausgehen, dass irgendetwas dahinter steckt und das Ganze nicht bloss eingebildet ist», meint Fredy Gsteiger.