Es geht um Licht, das helle, stromsparende Licht von LED-Leuchten. Viele Städte und Städtchen Ungarns haben in den letzten Jahren die Strassenbeleuchtung auf LED umgestellt – unterstützt mit Millionen Euro aus der EU.
Im ganzen Land hat dabei auffällig oft ein Unternehmen den Zuschlag bekommen: Die Elios Innovativ. Chef bei der Elios ist niemand geringeres als Istvan Tiborcz, der Schwiegersohn von Ungarns Premierminister Viktor Orban.
Viele Städte schrieben den Auftrag so aus, dass einzig «Elios» die Bedingungen erfüllen konnte. Entsprechend teuer waren die Offerten. Diese Geschichte ist nicht neu, schon vor Jahren haben ungarische Medien aufgedeckt, dass bei der Vergabe nicht alles mit rechten Dingen zu und her ging. Rechtliche Konsequenzen hatte das allerdings nicht.
EU-Behörde ermittelt
Neu ist, dass die Betrugsermittler der EU-Behörde Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung (Olaf) der Sache nachgingen und einen Bericht nach Budapest schickten. Die ungarische Webseite für investigativen Journalismus 24.hu hat daraus zitiert. Demnach hat Olaf 35 Aufträge überprüft, die an Elios gingen, und in jedem davon Unregelmässigkeiten entdeckt. In 17 Fällen sprechen die EU-Beamten von organisiertem Betrug.
Elios hat offenbar sogar mit fiktiven Gegenofferten gearbeitet, die stets fünf oder sieben Prozent teurer waren als die eigenen. Olaf schlägt vor, dass die EU von Ungarn über 40 Millionen Euro zurückfordert.
Die EU-Ermittler können allerdings nur auf Unregelmässigkeiten hinweisen. Konsequenzen, Klagen, Prozesse und Bussen sind Sache der Mitgliedstaaten. Die ungarische Staatsanwaltschaft sagt, sie habe Ermittlungen aufgenommen. Die könnten noch Jahre dauern.
Elios streitet alles ab
Elios bestreitet die Vorwürfe und behauptet, die Geschichte würde nur aus politischen Gründen neu aufgewärmt. Tiborcz hat sich vor zwei Jahren aus der Firma zurückgezogen.
Wortkarg gibt sich auch die Regierung: Es sei eben Wahlkampf, sagt beispielsweise Orbans Kabinettschef Janos Lazar. Er war 2010 Bürgermeister von Hodmezövasarhely, jener Stadt, die Elios den ersten und einen der grössten Aufträge erteilte.
Sieben Wochen vor den Wahlen macht ein solcher Skandal sogar eine Regierung nervös, die so fest im Sattel sitzt wie die von Viktor Orban. Wie viele potentielle Wählerinnen und Wähler sich jetzt von ihr abwenden, bleibt aber offen: Es ist fraglich, wie viele Fidesz-Anhänger von der Geschichte erfahren.
Fidesz kontrolliert fast alle grossen Medienhäuser Ungarns direkt oder indirekt. Sie berichten nicht oder kaum über Elios – und wenn doch, dann schieben sie die Schuld dem Oligarchen Lajos Simicska in die Schuhe, der einst an Elios beteiligt und mit Orban gut befreundet war, bevor sich die beiden verkrachten.
Auch Lichtgestalten werfen einen Schatten
Dass Geschäftsleute und Politiker verschiedener Parteien korrupt sind, ist in Ungarn allgemein bekannt. Auch in der Partei Fidesz und um sie herum sind in den letzten Jahren einige Leute unerklärlich reich geworden. Doch mit dem Schwiegersohn steht jetzt ein Mitglied der engsten Familie des Premiers unter Verdacht.
Orban ist für viele seiner Anhänger eine einsame Lichtgestalt. Doch die LED-Leuchten seines Schwiegersohnes werfen einen Schatten auf das Bild des aufrechten Beschützers der Nation, das Orban von sich pflegt. Seine Glaubwürdigkeit nimmt Schaden. Den Wahlsieg wird dieser Skandal ihn nicht kosten, dafür ist die Opposition zu zerstritten. Aber vielleicht die verfassunggebende Zweidrittelmehrheit.