- In Brüssel sollen Vertreter eines Golfstaates versucht haben, Einfluss auf Mitglieder des EU-Parlaments zu nehmen – mit Geld und teuren Geschenken.
- Es kam deshalb in Brüssel zu 16 Hausdurchsuchungen und fünf Festnahmen.
- Inzwischen soll nach Angaben der Deutschen Presse-Agentur auch die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Eva Kaili, festgenommen worden sein.
Um welchen Golfstaat es sich konkret handelt, teilte die belgische Staatsanwaltschaft nicht mit. Einer Recherche der Zeitung «Le Soir» und des Magazins «Knack» zufolge geht es um Katar.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hat die belgische Polizei seit mehreren Monaten den Verdacht, dass ein Golfstaat versucht, die politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen des EU-Parlaments zu beeinflussen.
Kaili rühmte Arbeitsbedingungen an Katar-WM
Die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Eva Kaili, wurde mittlerweile festgenommen, wie die DPA berichtet. Sie hatte noch am 21. November eine Rede im Europaparlament zur Fussball-Weltmeisterschaft in Katar gehalten.
Darin bezeichnete sie das Sportereignis als Beweis dafür, «dass Sportdiplomatie einen historischen Wandel in einem Land bewirken kann, dessen Reformen die arabische Welt inspiriert haben». Katar habe etwa bei Arbeitsrechten eine Vorreiterrolle gespielt.
Zuvor hatte Kaili den katarischen Arbeitsminister Samikh Al Marri getroffen, wie der EU-Botschafter in Katar, Christian Tudor, auf Twitter schrieb. Für Kaili gilt zurzeit die Unschuldsvermutung.
Operation gegen Mitarbeiter von EU-Abgeordneten
Beträchtliche Geldsummen oder Sachgeschenke seien vermutlich an Personen im Parlament verteilt worden, die eine politische oder strategische Position innehätten. Bei den Durchsuchungen wurden der Staatsanwaltschaft zufolge unter anderem 600'000 Euro Bargeld sowie Handys beschlagnahmt.
Grundsätzlich richtete sich die Operation vor allem gegen Mitarbeiter von Abgeordneten, hiess es. Unter den Befragten sei auch ein ehemaliger EU-Abgeordneter gewesen. Es war zunächst nicht klar, ob dieser auch festgenommen wurde.
Gewaltiger Vertrauensverlust droht
Ein Sprecher des EU-Parlaments sagte auf Anfrage von der Deutschen Presse-Agentur, zu laufenden Ermittlungen äussere man sich nicht. Man werde jedoch vollständig mit den zuständigen Behörden kooperieren.
Die Vorwürfe müssen lückenlos aufgeklärt werden.
Ähnlich drückte sich die sozialdemokratische Fraktion des Parlaments aus. Die Fraktion habe keine Toleranz für Korruption. Zugleich müssten im Parlament die Arbeit an allen Themen, die die Golfstaaten betreffen, sowie die Plenarabstimmungen dazu ausgesetzt werden.
Der Ko-Vorsitzende der Arbeitsgruppe Anti-Korruption des Parlaments, Daniel Freund, zeigte sich von den Ermittlungen geschockt. «Die Vorwürfe müssen lückenlos aufgeklärt werden», sagte der Grünen-Politiker. Geld dürfe bei den Entscheidungen in Europas grösstem Parlament keine Rolle spielen. Es drohe ein gewaltiger Vertrauensverlust.