Das Wichtigste in Kürze
- Der brasilianische Baukonzern Odebrecht soll über Jahre mehrere lateinamerikanische Politiker bestochen haben.
- Diverse ehemalige und aktuelle Staatschefs werden mit der Affäre in Verbindung gebracht.
- In Brasilien werden weitere brisante Aussagen erwartet.
Alejandro Toledo wird in Peru der «dicke Fisch» genannt. Aber dieser ist entwischt. Der Ex-Präsident, der vom Schuhputzer zum ersten Mann im Staate aufgestiegen war, soll bis zu 20 Millionen US-Dollar an Bestechungsgeld kassiert haben. Für den Bau einer Schnellstrasse, die den Atlantik mit dem Pazifik verbindet. Es gibt Hinweise, dass Toledo damit mehrere Immobilien finanziert hat.
Friedensnobelpreisträger im Visier
Toledo ist längst nicht der einzige Spitzenpolitiker in Lateinamerika, der in einen der grössten Korruptionsskandale der Welt verwickelt ist. Wie ein Schneeball, der immer grösser wird, wenn er ins Rollen kommt, erfasst der Skandal um den brasilianischen Baukonzern Odebrecht von Brasilien ausgehend immer mehr Länder der Region. Vor allem weil Behörden in Brasilien, den USA und der Schweiz knallhart ermitteln.
Bis zu Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos reicht die Liste der ins Zwielicht Geratenen. Kolumbiens Präsident pocht auf eine rasche Aufklärung durch die nationale Wahlbehörde, wonach Odebrecht 2014 eine Million Dollar für seine Kampagne gezahlt haben soll. «Der Schaden ist schon da», kritisiert Santos. Er vertraue der Aussage seines Wahlkampfchefs Roberto Prieto, der alle Vorwürfe bestreitet.
Genauso bestreitet Panamas Präsident Juan Carlos Varela Spenden von Odebrecht bekommen zu haben – er hat nun seine Spender bekanntgegeben. Pikant: Er war vom einstigen Vertrauten Ramón Fonseca Mora belastet worden. Fonseca ist Partner der Kanzlei Mossack Fonseca, die zahlreichen Politikern und anderen Promis beim Ausnutzen von Steuerschlupflöchern half und durch die «Panama Papers» ins Zwielicht geriet. Fonseca und sein Partner Jürgen Mossack wurden wegen angeblicher Verstrickung in den Odebrecht-Skandal festgenommen.
Fast 800 Millionen in zwölf Jahren
Angefangen hat das «Odebrecht-Beben» in Brasilien mit dem «Lava Jato»-Skandal («Autowäsche») um Schmiergelder bei Auftragsvergaben des halbstaatlichen Petrobras-Konzerns. Politiker erhielten eine satte «Provision», wenn sie beim Zuschlag halfen, etwa für den Bau von Bohrplattformen. Nach und nach kam ein System systematischer Bestechung in mehreren Ländern ans Licht. Odebrecht «refinanzierte» die Kosten offensichtlich dadurch, dass Bauprojekte am Ende viel teurer waren – so kostete der Ausbau der Interoceánica in Peru am Ende statt der geplanten 850 Millionen US-Dollar 2,1 Milliarden.
Insgesamt sollen 785 Millionen Dollar Schmiergelder in zwölf Ländern geflossen sein. Es soll im Konzern extra eine eigene «Bestechungsabteilung» gegeben haben.
Mehrere Manager hatten durch ihre Aussagen die Ausmasse des Skandals ans Licht gebracht. Sie hoffen auf eine gnädige Kronzeugenregelung, nachdem der langjährige Chef Marcelo Odebrecht zu mehr als 19 Jahren Haft verurteilt worden ist.
Nächste «Bombe» wird erwartet
Vor Weihnachten willigten der von Nachfahren deutscher Einwanderer gegründete Odebrecht-Konzern und das Chemie-Unternehmen Braskem, an dem Odebrecht beteiligt ist, in einen historischen Vergleich ein: 3,5 Milliarden US-Dollar sollen über mehrere Jahre gezahlt werden. Es ist laut US-Justizministerium die grösste Strafsumme, auf die sich die Beteiligten je in einem Korruptionsfall geeinigt haben. Odebrecht hat seine Schuld eingeräumt, versucht aber, die in den USA, Brasilien und der Schweiz zu zahlenden Geldsummen noch zu drücken.
In Brasilien wird in Kürze die nächste «Bombe» erwartet. Der Justiz liegen zahlreiche brisante, noch unter Verschluss gehaltene Aussagen von Odebrecht-Managern vor, die die Regierung von Präsident Michel Temer erschüttern könnten. Unter dubiosen Umständen kam der in der Affäre ohne Rücksicht ermittelnde Richter am Obersten Gerichtshof, Teori Zavascki, am 19. Januar bei einem Flugzeugabsturz ums Leben.
Es gibt starken Druck, die Aussagen trotzdem ans Licht zu bringen – für viele Bürger hat der Skandal sogar etwas Gutes: Die Jagd auch nach «dicken Fischen» könnte die Korruption eindämmen, die Justiz gilt als Gewinner: In Brasilien wird der «Lava-Jato»-Richter Sérgio Moro, der auch Konzernchef Marcelo Odebrecht hinter Gitter gebracht hat, für 2018 schon als Präsidentschaftskandidat gehandelt.