Darüber, keine Mehrwertsteuer mehr auf Binden oder Tampons zu erheben, diskutieren aktuell mehrere europäische Länder. Schottland geht einen Schritt weiter. Das Parlament hat beschlossen, Menstruationsprodukte künftig kostenlos abzugeben. Die in Edinburgh lebende Journalistin Nicola de Paoli glaubt nicht, dass das Vorgehen in anderen Ländern Schule machen wird.
SRF News: Wieso gibt Schottland Menstruationsprodukte gratis ab?
Nicola de Paoli: Es hatte sich gezeigt, dass viele Mädchen im Teenageralter die Hygieneartikel nicht von ihrem Taschengeld bezahlen können oder wollen. Diese Mädchen mussten sich mit unzureichenden Mitteln anders behelfen. Das hatte mitunter zur Folge, dass sie lieber gar nicht in die Schule gingen.
Der Periode soll der vermeintliche Makel genommen und ein unbefangenerer Umgang damit gefördert werden.
Ein weiteres wichtiges Stichwort lautet Scham: Indem Hygieneartikel überall öffentlich angeboten werden, soll der Periode der vermeintliche Makel genommen und ein unbefangenerer Umgang damit gefördert werden.
Kein Abgeordneter stimmte dagegen. Es gab nur eine Enthaltung. Warum?
Auf den ersten Blick ist die Zustimmung quer durch alle Parteien im Parlament in der Tat erstaunlich. Anfangs herrschte keineswegs Einigkeit. Doch es gelang, die Oppositionsparteien an einen Tisch zu bringen. Dann wollte auch die regierende SNP dem Vorschlag nicht länger im Weg stehen. Dieser Einigung waren zwei Jahre Beratungen vorausgegangen. Es gab einen Testlauf in der Hafenstadt Aberdeen. Das Ergebnis war positiv. Die Regierung war zunächst wenig begeistert. Der Hauptkritikpunkt waren die Kosten.
Wie plant die Regierung, die Kosten für diese Massnahme zu decken?
Die Labour-Abgeordnete Monica Lennon rechnet mit Ausgaben von rund 100 Millionen Pfund im Jahr. Die Regierung veranschlagt hingegen mehr als 24 Millionen Pfund – viel Geld für Tampons und Binden. Noch ist nicht ganz klar, wie das finanziert wird. Ein Vorschlag lautet, dass man die grossen Hersteller mit ins Boot nimmt. Die Frage ist auch, ob man das aus Steuergeldern finanzieren soll. Da müssen noch einige Hausaufgaben gemacht werden.
In der Schweiz kann man sich das nur schwer vorstellen. Wie plant die schottische Regierung, die Gratisabgabe umzusetzen?
Man überlegt, Ausgabestationen einzurichten. An staatlichen Schulen und Universitäten gibt es so ein Projekt bereits. Dort können sich Schülerinnen und Studentinnen kostenfrei Produkte sichern. Die Frage ist nun, wie man das ausweiten kann. Man will auch vermeiden, dass es Hamsterkäufe gibt.
Auf die Schotten wirkt das weniger exotisch, als es vielleicht in anderen Ländern der Fall ist.
Dass sich jemand viele Produkte sichert und diese weiterverkauft. Vermutlich läuft es auf ein Kartensystem hinaus, bei dem man sich registriert, eine Karte bekommt und diese Produkte dann irgendwo am Automaten beziehen kann.
In Deutschland gilt für Tampons und Binden nicht mehr der Mehrwertsteuersatz für Luxusartikel von 19 Prozent, sondern der für Güter des täglichen Gebrauchs von 7 Prozent. Schottland geht noch weiter. Warum?
Es gibt meines Wissens kein Land, das so weit geht wie Schottland. Diese Initiative hat eine gewisse Eigendynamik entwickelt. Man darf nicht vergessen, dass das britische Gesundheitssystem NHS aus Steuergeldern finanziert wird. Man kann sich Produkte und Medikamente ohne Kosten in der Apotheke besorgen. Auf die Schotten wirkt das also weniger exotisch, als es vielleicht in anderen Ländern der Fall ist. Zudem hat Schottland bereits seit 2018 eine Vorreiterrolle, als entschieden wurde, dass Hygieneprodukte kostenfrei in allen Schulen und Hochschulen angeboten werden sollen.
Das Gespräch führte Lea Saager.