Der Tod des 17-jährigen Nahel, der am Dienstag im Pariser Vorort Nanterre von einem Polizisten erschossen worden war, war der Auslöser für die anhaltenden Krawalle in verschiedenen Städten und Vororten in Frankreich.
Die Wut entbrennt aber nicht nur wegen dieses spezifischen Vorfalls, sondern bringt ein altes Problem Frankreichs einmal mehr an die Oberfläche: die Chancenungleichheit in den sogenannten Banlieues, sozialen Brennpunkten mit hoher Kriminalität und hoher Arbeitslosigkeit.
Jugendliche fühlen sich isoliert und benachteiligt
Chancenungleichheit bei der Bildung, in einem Land, in dem der Name der Schule darüber entscheiden kann, ob ein Jugendlicher Karriere machen wird. Chancenungleichheit bei der Arbeitssuche für Jugendliche mit einem ausländischen Namen oder einer Adresse in einem der «heissen Vororte».
Und schliesslich Chancenungleichheit bei der Behandlung durch die Polizei. Das Hochkommissariat für Menschenrechte der UNO hat Frankreich nach diesem Vorfall aufgerufen, die Probleme von Rassismus in der Polizei anzugehen. Das französische Aussenministerium bezeichnet die Vorwürfe als völlig unbegründet.
Die jugendlichen Randalierer, die zu einem grossen Teil in Frankreich geboren und aufgewachsen sind, leben in einer Parallelgesellschaft. Eine Gesellschaft, die man in Frankreich zwar kennt, die aber weitgehend gemieden wird von Aussenstehenden. Und auch von der Regierung.
Frankreich will auch Eltern bestrafen
Emmanuel Macron appelliert an die Verantwortung der Eltern der minderjährigen Randalierer und der Justizminister droht ihnen mit Sanktionen. Das Problem sei damit aber nicht gelöst, betonte am Samstag der ehemalige Präsident des Jugendgerichts Bobigny im Departement Seine-Saint-Denis, Jean-Pierre Rosenzweig am französischen Radiosender Franceinfo: «Wir bezahlen die Rechnung für etwas, was wir während Jahren vernachlässigt haben. Die Kontrolle über diese Jugendlichen haben wir schon vor Jahren verloren.»
Man müsse mehr hinschauen in die Vorstädte und die überforderten Eltern unterstützen, so wie die Jugendlichen mit Sozialarbeitern enger begleiten.
Regierung im Krisenmodus
Zurzeit ist die französische Regierung im Krisenmodus. Sie probiert, die Situation unter Kontrolle zu bringen, mit viel Polizeieinsatz, Einschränkungen des öffentlichen Verkehrs und Absagen von Anlässen.
Aber auch wenn ihr dies gelingen sollte und die Krawalle abnehmen, ist das Problem der Jugendlichen in den Vorstädten nicht gelöst. Und wenn es nicht in der Tiefe angepackt wird, dann wird es wohl eine Frage der Zeit sein, bis der nächste Auslöser es wieder an die Oberfläche spült und es erneut zu gewalttätigen Aufständen kommen wird.