Einmal mehr diskutieren die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union stundenlang über die richtige Formel für Wirtschaftshilfen nach der Corona-Pandemie. Schon wieder verschieben sie Entscheidungen auf später.
Darum werden zynische Kommentare folgen, die das Ende der europäischen Solidarität besiegeln. Diese verkennen, dass die Grundlagen für weitreichende Entscheidungen noch fehlen.
Darum wird die EU-Kommission damit beauftragt, in den kommenden Wochen den Finanzbedarf für die von der Corona-Pandemie gebeutelten Wirtschaftssektoren zu erheben. In dieser Zeit wird etwas besser abschätzbar sein, mit welchem weiteren Verlauf die Pandemie uns noch zu überraschen vermag.
Erst dann lässt sich ungefähr abschätzen, was der finanzielle Bedarf sein wird, die europäische Wirtschaft schnellstmöglich aus der tiefen Krise herauszuführen, in die sie gestürzt ist.
Politisch entscheiden ist eine Sache – fundiert belegen eine andere
Natürlich zeigen sich Länder wie Italien, Spanien oder sogar Frankreich enttäuscht, dass die Mehrheit der EU-Mitgliedsländer sich noch nicht auf eine Zahl festlegen wollen für einen Wiederaufbau-Fonds. Das gehört zum Ritual.
Die einfachste Sache ist es, das Volumen eines solchen-Fonds politisch festzulegen. Die komplizierteste Sache ist es, diese Zahl fundiert zu begründen.
Politisch reichte die Zeit noch nicht, einen Kompromiss zu finden unter 27 Mitgliedsländern, welcher die richtige Mischung von Wiederaufbau-Krediten aus einem Corona-Fonds und Zuschüssen aus dem neuen EU-Budget zu definieren vermag. Die Frage, über welche Eigenmittel die EU künftig verfügen darf, wurde in den letzten Jahren, Monaten und Wochen nie beantwortet.
Jetzt kommt es auf Angela Merkel an
Deutschland obliegt es nun, wegweisend zu sein. Denn Deutschland wird am 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen. Angela Merkel persönlich wird die Debatte entscheidend prägen müssen. Das ist keine schlechte Ausgangslage.
Die Bundeskanzlerin hat im Bundestag schon vorgespurt und die deutschen Abgeordneten darauf vorbereitet, dass sie künftig deutlich mehr Geld als bisher in den EU-Haushalt einzahlen müssen. Im Sommer könnte das beschlossen werden. Bis da werden die ersten Milliarden-Kredite für Italien und Spanien ausbezahlt sein.
Die Staats- und Regierungschefs haben sich nämlich darauf verständigt, ein erstes Stützungspaket auf den 1. Juni bereitzustellen, Förderkredite für mittelständische Unternehmen, europäisches Kurzarbeitsgeld und, falls von Ländern gewünscht, Kreditlinien aus dem Rettungsfonds ESM.
Gipfel öffnet Raum für Kompromisse
Das nimmt politischen Druck weg und eröffnet Raum für Kompromisse. In diesem Sinne kann der vierte EU-Corona-Gipfel durchaus wegweisend sein, denn er zeigt einen möglichen Weg aus der aktuellen Pattsituation zwischen Ländern im Norden und EU-Staaten im Süden Europas.
Erst später zu entscheiden, ist kein schlechtes Zeichen. Im Sommer werden die 27 Staats- und Regierungschefs die Kompromiss-Suche zudem mit einem Handschlag und persönlichem Schulterklopfen abschliessen können. Hoffentlich.