Aus Zweigen, Kartonstücken und Lehm bauen drei Mädchen eine Art Puppenhaus, einen Hof mit Lehmtöpfen. Ein eigenes Zuhause haben die Kinder hier im Flüchtlingslager nicht mehr, seit sie mit ihren Eltern mitten in der Nacht fliehen mussten.
Die Flüchtlinge kommen aus Äthiopien. Sie fanden Zuflucht im Nachbarland Sudan, im Dorf Basanga. Die Angehörigen der Volksgruppe der Qimant erzählen, wie sie von Kämpfern der Provinz Amhara aus ihrem Dorf vertrieben wurden.
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Bild 1 von 4. Auch im Flüchtlingslager wird gespielt. Die Mädchen haben einen Hof mit Haushaltsutensilien gebastelt. Bildquelle: SRF / Samuel Burri.
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Bild 2 von 4. Im Lager beim Dorf Basanga befinden sich über 1000 Menschen, rund 100 davon sind Kinder unter 5 Jahren. Bildquelle: SRF / Samuel Burri.
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Bild 3 von 4. Die Regenzeit hat den lehmigen Boden aufgeweicht. Die meisten Flüchtlinge leben in Zelten. Bildquelle: SRF / Samuel Burri.
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Bild 4 von 4. Das Lager befindet sich auf dem Areal der Dorfschule. Einige Familien schlafen in den Schulzimmern. Bildquelle: SRF / Samuel Burri.
Beim Gang durchs Lager bleiben die Flipflops von Burtukan fast am schlammigen Boden kleben. Die Mutter hat ihre Schuhe im Flüchtlingslager erhalten. Auf der 50 Kilometer langen Flucht von Äthiopien war sie barfuss: «Ich litt Hunger und Durst, meinen Sohn trug ich auf dem Rücken, zwei Kinder an der Hand. Doch von den anderen beiden Kindern fehlt jede Spur.»
Panisch rannte sie aus ihrem Haus, in der Julinacht, als ihr Dorf angegriffen wurde. «Wir hörten Schüsse, Menschen starben vor meinen Augen. Ich rannte um mein Leben.» Burtukan sagt: Es waren Kämpfer der Amhara-Regierung, die ihr Dorf Shinfa angegriffen haben.
Auf dem Schulgelände im sudanesischen Dorf Basanga lebt nun auch die 50-jährige Abeba in einem improvisierten Zelt aus Blachen und Ästen. Sie ist überzeugt: «Es ist ein Völkermord, die Qimant sollen eliminiert werden. Wir befinden uns im Krieg!»
Die Zustände im Lager sind miserabel. Die offenen Zelte bieten keinen Schutz gegen Moskitos, es gibt kaum Toiletten. Viele Kinder husten. Immerhin haben Helfer Trinkwassertanks aufgestellt.
Die Flüchtlinge möchten an einen besseren Ort, in ein permanentes Lager verlegt werden. Sie haben Angst vor Übergriffen aus Äthiopien, weil sie noch immer nahe der Grenze sind. Die amharische Regionalregierung dementiert die Berichte über Angriffe auf die Qimant, sie wirft jedoch wiederum den Qimant vor, Amhara anzugreifen.
Im Zuge der Tigray-Krise flammen in Äthiopien ethnische Konflikte auf. Es gibt Kämpfe zwischen den Afar und den Somali, zwischen den Gumuz und den Amhara, und zwischen den Oromo und der Zentralregierung.
Aus dem geplanten kurzen Feldzug von Äthiopiens Ministerpräsident Abiy Ahmed gegen die Tigray entwickelte sich ein Flächenbrand. Der Krieg hat das Land wirtschaftlich, politisch und gesellschaftlich völlig aus der Bahn geworfen.
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Bild 1 von 5. Die Zustände im Lager sind schlecht. Die Zelte wurden aus Ästen und Blachen von Hilfswerken gebaut. Bildquelle: SRF / Samuel Burri.
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Bild 2 von 5. Das Lager liegt am Dorfrand von Basanga. Das Dorf ist in der Regenzeit nur mit Traktor oder starkem 4x4-Fahrzeug erreichbar. Bildquelle: SRF / Samuel Burri.
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Bild 3 von 5. An einer Versammlung diskutieren die Flüchtlinge über die Zustände im Lager. Im Moment gibt es für über 1000 Menschen nur 2 Toiletten. Bildquelle: SRF / Samuel Burri.
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Bild 4 von 5. Rund die Hälfte der Geflüchteten sind Männer. Noch immer treffen neue Flüchtlinge im Lager ein. Bildquelle: SRF / Samuel Burri.
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Bild 5 von 5. Die Menschen in Basanga möchten an einen besseren Ort verlegt werden. Die Versorgung mit Nahrung und Medikamenten ist hier kaum sichergestellt. Bildquelle: SRF / Samuel Burri.
Vor dem Gesundheitszentrum des Lagers sitzt Zedneshi mit ihrem vier Monate alten, kranken Sohn auf dem Arm. Die junge Frau kämpft mit den Tränen, wenn sie an die Zukunft denkt: «Ich möchte nach Hause, zurück in ein Land ohne Tod und Chaos. Vor allem wünsche ich mir Frieden. Wir mussten so viele zurücklassen, ohne sie beerdigen zu können.»