Zwei Brüder im Geiste. So nimmt man die beiden Grossmächte China und Russland gerne wahr. Russlands Präsident, Wladimir Putin, war eben noch als Ehrengast an den Olympischen Spielen in Peking, flattiert vom grossen Vorsitzenden Xi Jinping, der ihm eine gemeinsame Zukunft versprach.
Doch man dürfe diese Freundschaft nicht überbewerten, sagt Simona Grano, Sinologin an der Universität Zürich: «China und Russland haben grundsätzlich eine sehr gute Beziehung. Aber: das Ganze ist eine reine Zweckehe.» Man sehe das zum Beispiel daran, dass China bis jetzt die Ukraine nicht kritisiert hat, und eben keine klare Position bezogen habe. Die einzige direkte Kritik sei an die Nato oder an die USA gegangen.
Tatsächlich weigert sich das chinesische Aussenministerium nach wie vor, von einer Invasion zu reden. Man dürfe dies jedoch nicht als eindeutige Stellungnahme für Russland sehen. Es zeige lediglich das Dilemma, in dem China jetzt stecke. China wolle es sich weder mit Russland, noch mit dem Westen verscherzen, sagt die Sinologin.
Ich glaube nicht, dass China bereit ist, mit dem Westen zu brechen.
Grano: «Ich glaube nicht, dass sie bereit sind, mit dem Westen zu brechen.» Denn: All den Handel, den China mit der EU oder den USA betrieben, könnte das Land niemals durch den Handel mit Russland ersetzen. «Das will die kommunistische Partei nicht in Kauf nehmen.»
Vorbild für Minderheiten in China?
Ebenso wichtig sei China ein anderer Punkt: Die Angst, dass sich plötzlich auch eine eigene Minderheiten-Provinz, wie Tibet oder Xinjiang, die Ostukraine als Vorbild nehmen und China auseinanderbrechen könnte. «Dass plötzlich eine eigene Minderheiten-Region oder eine ethnische Gruppe die Unabhängigkeit anstrebt, und dabei auch noch von einer benachbarten Supermacht unterstützt werden könnte, ist Chinas grösster Alptraum. Das ist die allergrösste Angst.»
Und nicht zuletzt hat China Angst, dass Russlands Vorgehen einen internationalen Präzedenzfall schafft, der andere Länder auf die Idee bringt, auch die umstrittene Insel Taiwan offiziell anzuerkennen.