Seit Wochen versucht Russland, die Stadt Bachmut mit ehemals 70'000 Einwohnerinnen und Einwohner zu erobern. Die ukrainische Armee leistet erbitterten Widerstand. Inzwischen sollen sich russische Truppen bis an den Stadtrand vorgekämpft haben. An einem Frontabschnitt kämpft auch die Söldner-Truppe Wagner, die offenbar russische Strafgefangene als Kanonenfutter einsetzt.
SRF News: Was ist über die aktuellen Kämpfe in Bachmut bekannt?
David Nauer: Soweit man weiss, stehen die Russen im Osten und im Süden am Stadtrand von Bachmut und haben offenbar schon einzelne Industrieanlagen erobert. Der Grossteil der Stadt ist aber noch unter Kontrolle der Ukrainer, die die Stadt zu einer Festung mit Schützengräben und Panzersperren ausgebaut haben. Aufnahmen zeigen apokalyptische Bilder der totalen Zerstörung. Mindestens 90 Prozent der Bevölkerung ist geflohen.
Es gibt Berichte über enorm hohe Verluste auf russischer Seite, was ist dran?
Beide Seiten müssen hohe Verluste erlitten haben. Die Schlacht ist derart furchtbar, dass Russen wie auch Ukrainer von einem eigentlichen «Fleischwolf» sprechen, der täglich viele Menschen zermalmt. Von ukrainischer Seite hört man verschiedentlich, dass russische Kommandeure Gruppen von Infanteristen in Wellen auf ukrainische Stellungen losschicken, wo sie niedergemäht werden. Eigene Soldaten werden also offenbar geopfert, bis den Ukrainern die Munition ausgeht. So schildern das ebenfalls ukrainische Soldaten, die an der Front waren.
Warum wird gerade um Bachmut so erbittert gekämpft?
Bachmut ist, so grausam es tönt, wohl ein zufälliges Opfer dieses Krieges. Die Russen brauchen nach mehreren Niederlagen im Sommer und Herbst wieder einmal einen Erfolg und werfen in der «Schlacht um Bachmut» alles an die Front. Eine Rolle spielt aber auch, dass bei Bachmut die Söldnergruppe Wagner kämpft. Sie hat in Russland Strafgefangene rekrutiert, die nun offenbar vor den ukrainischen Stellungen regelrecht verheizt werden. Der Chef der Wagner-Gruppe will dem Kreml beweisen, dass er ein erfolgreichen Feldherr ist. Es geht also auch um das Ego von Kommandeuren.
Bezeichnend und tragisch ist, dass Bachmut strategisch gar nicht besonders wichtig ist. Für die Russen wäre die Einnahme aber ein psychologisch und symbolisch wertvoller Sieg, für die Ukrainer eine schwere Niederlage.
Sie waren schon mehrmals in Bachmut – was ist oder war das für eine Stadt?
Bachmut war eine kleine Industriestadt im Donbass. Keine Schönheit, aber sehr lebendiger Ort. Bekannt auch durch eine berühmte Sekt-Fabrik, die ebenfalls beschädigt und angeblich Mitte Woche von den Russen erobert wurde. Nach Bachmut kam man vor allem, wenn man von den Separatistengebieten bei Doneszk ins ukrainisch kontrollierte Gebiet reiste. Wer aus den grauen und deprimierenden prorussischen Separatistengebieten nach diversen Checkpoints in Bachmut ankam, wähnte sich fast wie in Las Vegas – hell, viel Verkehr und Menschen, Geschäfte und Restaurants. Das ist alles Vergangenheit.
Das Gespräch führte Brigitte Kramer.