Dringlichkeitssitzungen sind in der UNO-Generalversammlung äusserst selten. Die bisher letzte liegt mehr als zwei Jahrzehnte zurück. Die jetzige wurde nötig, weil das eigentlich für Fragen von Krieg und Frieden zuständige UNO-Gremium, der Sicherheitsrat, wegen des russischen Vetos im Ukraine-Krieg vollständig gelähmt und damit handlungsunfähig ist.
Doch schweigen wollen die Vereinten Nationen trotzdem nicht. Denn, so unterstrich ihr Generalsekretär António Guterres: «Dieser Krieg muss enden. Sofort. Genug ist genug.» Der ukrainische UNO-Botschafter Sergiy Kyslytsya sprach während der dreitägigen, emotional geführten Debatte von einem «prägenden Moment für eine ganze Generation».
Deutliches Ergebnis
Als es vor acht Jahren in der UNO-Generalversammlung um Russlands Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim ging, wandten sich rund hundert Länder gegen Russland, elf votierten für die Kreml-Führung. Diesmal wurde wiederum erwartet, dass gut hundert der 193 Mitgliedstaaten einer Resolution zustimmen würden, die den russischen Einmarsch, der als Aggression bezeichnet wird, «aufs Schärfste» verurteilt. Am Ende waren es gar deutlich mehr, nämlich 141.
Lediglich vier übel beleumundete Diktaturen, nämlich Belarus, Nordkorea, Syrien und Eritrea, stellten sich an Moskaus Seite. 35 Staaten enthielten sich der Stimme, darunter etliche afrikanische wie Südafrika, Algerien oder Tansania, aber auch Mächte wie Indien oder China. Selbst sie mochten sich immerhin nicht klar auf Moskaus Seite schlagen, ebenso wenig traditionelle Verbündete Russlands wie Kuba, Nicaragua oder Kasachstan.
Resolutionen der Generalversammlung sind mit keinerlei Druckmitteln verbunden. Die Abstimmung hat jedoch hohen symbolischen Wert. Erstmals mussten sich sämtliche Länder positionieren – entweder für Russland, gegen Russland oder halbherzig dazwischen. Sie fällten nun grossmehrheitlich ein negatives Urteil über den russischen Machthaber Wladimir Putin. Der steht nun zumindest auf der Weltbühne recht allein da. Die Sympathien liegen entschieden auf der Seite der überfallenen ukrainischen Bevölkerung.
Russland gibt sich unbeeindruckt
Des Kremls Sprachrohr am UNO-Hauptsitz in New York, Botschafter Wassily Nebenzia, hält indes unverbrüchlich an der Darstellung fest, sein Land habe in der Ukraine keinen Krieg begonnen, sondern einen von der Ukraine angezettelten beendet. Manche Diplomatenkollegen dürften sich fragen, wie wohl es einem Apparatschik noch in seiner Rolle ist, wenn er solchen Unfug erzählen muss.
Zumindest nach aussen lässt also die Ohrfeige durch die UNO-Generalversammlung Russland unbeeindruckt. Einsicht oder gar ein Einlenken ist vorläufig nicht erkennbar.