Für die Menschen in der zerstörten ukrainischen Hafenstadt Mariupol gibt es nach dem Beginn einer Evakuierungsaktion etwas Hoffnung. Ein Konvoi mit zivilen Reisebussen brachte am Samstag und Sonntag mehrere Dutzend Zivilisten aus dem von russischen Soldaten belagerten Stahlwerk Asowstal. An der Aktion beteiligten sich das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) und die UNO, wie ein IKRK-Sprecher bestätigte.
Die Hoffnung ruht darauf, dass dies der Beginn einer grösseren Aktion sein könnte. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski sprach von einer «ersten Gruppe von etwa 100 Menschen», die evakuiert worden seien. «Jetzt arbeiten wir zusammen mit der UNO an der Evakuierung von weiteren Zivilisten aus der Anlage», schrieb er auf Twitter.
Auch ein Sprecher der UNO bestätigte, dass die Zivilisten das Gelände von Asowstal durch einen sicheren Korridor verlassen konnten. Zunächst waren rund 40 Personen aus dem Stahlwerk in einem Aufnahmezentrum im Dorf Bezimenne eingetroffen, wie Reuters berichtete. Die Personen seien in Bussen mit ukrainischen Nummerschildern in einem Konvoi mit russischen Truppenfahrzeugen und UNO-Fahrzeugen angekommen.
Noch 1000 Zivilisten im Stahlwerk
Das russische Verteidigungsministerium teilte mit, es seien etwa 80 Menschen in das Dorf Besimenne zwischen Mariupol und der russischen Grenze gebracht und dort versorgt worden. Die Aktion habe auf Initiative von Präsident Wladimir Putin stattgefunden. Diejenigen, die ins von ukrainischen Truppen kontrollierte Gebiet wollten, seien Vertretern von UNO und IKRK übergeben worden.
Für die Evakuierungsmission hatte sich UNO-Generalsekretär António Guterres in den vergangenen Tagen bei Besuchen in Moskau und Kiew eingesetzt.
Ukrainischen Angaben zufolge sollen allein in den Bunkeranlagen des Stahlwerks Asowstal noch rund 1000 Zivilisten eingeschlossen sein. Russland spricht von etwa 2500 Menschen, insbesondere Soldaten und Söldnern.
Bewohner von Mariupol müssen noch warten
Russland hat Mariupol – eine strategisch wichtige Stadt am Asowschen Meer – bereits weitgehend eingenommen. Nach Schätzungen halten sich in der Stadt noch etwa 100'000 der ehemals 440'000 Bewohnern auf. Die allgemeine Versorgungslage gilt als katastrophal.
Eine weitere Evakuierungsaktion, bei der Zivilisten nach Saporischschja gebracht werden sollten, ist inzwischen vertagt worden. Statt am Sonntagnachmittag soll ein neuer Versuch am Montagmorgen ab 7 Uhr MESZ anlaufen, wie der Stadtrat von Mariupol mitteilte.