Seine Ankündigung wurde als klares Bekenntnis für die Position des Westens gewertet: Der türkische Präsident verurteilt den Angriff Russlands auf die Ukraine als gewaltsamen Akt gegen einen souveränen Staat und sein Territorium. Zudem gibt Recep Tayyip Erdogan der Führung in Moskau eine klare Losung: Russische Kriegsschiffe und U-Boote können nicht mehr, wie noch Anfang Februar, einfach durch den Bosporus fahren.
Der Vertrag von Montreux sichert der Türkei seit 1936 die Kontrolle über die Meeresenge zwischen Schwarzem Meer und dem Mittelmeer zu. Darin heisst es, dass im Falle eines Krieges die darin verwickelten Konfliktparteien nicht mehr uneingeschränkten Zugang zum Schwarzen Meer erhalten.
Moskau könnte das jetzt empfindlich treffen. Denn die russische Marine hat im östlichen Mittelmeer bei Tartus in Syrien einen wichtigen Stützpunkt und dort eine Flotte aus dem Nordmeer zusammengezogen.
Wirtschaftliche Abhängigkeit
Die Türkei nimmt also Partei. Denn gleichzeitig fliegen türkische Drohnen unter dem Kommando der ukrainischen Streitkräfte Angriffe gegen russische Konvois. Diese Luftschläge türkischer Produktion haben den Russen schon im Kaukakus, in Syrien und in Libyen Schaden zugefügt. Die Konkurrenz in Sachen Militärtechnik zwischen Ankara und Moskau wird auch in der Ukraine weiter erprobt.
Gleichzeitig aber muss die Türkei aufpassen. Denn wirtschaftlich ist das Land vom russischen Erdöl, Gas und Getreide völlig abhängig. Die Russische Föderation ist Ankaras wichtigster Einfuhrpartner. Einen abrupten Stopp dieser Wirtschaftsbeziehungen will und kann sich Recep Tayyip Erdogan nicht leisten. Die ohnehin schon schwere Wirtschaftskrise und Inflation, hohe Brot- und Energiepreise geben dem türkischen Präsidenten innenpolitisch keinen Spielraum. Deshalb beteiligt sich Ankara auch an keiner der international verhängten Wirtschaftssanktionen.
Strategische Herausforderung
Fraglich – wie lange kann die Türkei diesen Spagat aushalten? Einerseits versucht Erdogan, mit der Durchfahrtsbeschränkung für die russische Marine am Bosporus sicherheits- und aussenpolitisch bei seinen Nato-Partnern zu punkten. Andererseits will sich Ankara mit Moskau nicht überwerfen.
Der türkische Präsident sieht sich immer gern als grossen Strategen. Jetzt hat er sich im ukrainisch-russischen Konflikt selbst herausgefordert.