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Kleinstadt Borodjanka bei Kiew total zerstört
Aus 10 vor 10 vom 08.04.2022.
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Krieg in der Ukraine War Butscha nur der Anfang?

In dem Kiewer Vorort Borodjanka soll die Lage noch «viel schrecklicher» sein als in Butscha, sagt Wolodimir Selenski.

Die verstörenden Bilder aus Butscha gingen um die Welt: Nach dem Abzug russischer Truppen wurden auf den Strassen des Kiewer Vorortes zahlreiche Leichen von Bewohnern gefunden, manche mit auf dem Rücken gefesselten Händen. Die Ukraine macht für das Massaker russische Truppen verantwortlich und spricht von Kriegsverbrechen.

Massengrab in Butscha, aufgenommen am 4. April 2022.
Legende: Massengrab in Butscha, aufgenommen am 4. April 2022. Reuters

Dabei war Butscha möglicherweise nur der Anfang. Die Verlagerung der russischen Armee in den Osten der Ukraine fördert weitere Schreckensbilder zutage, etwa aus dem Kiewer Vorort Borodjanka.

SRF-Korrespondentin Luzia Tschirky war am Freitagmorgen unterwegs von Kiew in die rund 35 Kilometer entfernte Kleinstadt. Dort soll die Lage noch «viel schrecklicher» sein als in Butscha, hatte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski in seiner Videobotschaft vom Donnerstagabend auf Telegram erklärt. Und am Mittwoch hatte der ukrainische Zivilschutz auf Facebook geschrieben: «Angesichts des Ausmasses der Zerstörung können wir nur erahnen, wie viele schreckliche Funde uns erwarten.»

Ein Einwohner in den Trümmern eines zerstörten Gebäudes in Borodjanka (5. April 2022).
Legende: Ein Einwohner in den Trümmern eines zerstörten Wohnhauses in Borodjanka (5. April 2022). Keystone

«Wenn Selenski sagt, die Lage in Borodjanka sei noch schlimmer als in Butscha, dann meint er damit wohl, dass dort mutmasslich noch mehr zivile Opfer gefunden werden», sagt Luzia Tschirky. «Viele Menschen sind wahrscheinlich noch verschüttet.» Aus den Trümmern von zwei ausgebombten Wohnhäusern sind ukrainischen Behördenvertretern zufolge bis am Donnerstagabend 26 Leichen geborgen worden. Seit Mittwoch sucht der ukrainische Zivilschutz dort nach Überlebenden und Opfern.

Borodjanka war länger unter Kontrolle der russischen Armee und es haben dort heftige Kämpfe stattgefunden.
Autor: Luzia Tschirky Ukraine-Korrespondentin

Als sie unsere Fragen per Voice-Message beantwortet, passiert Luzia Tschirky gerade einen ukrainischen Check-Point, rechts steht ein ausgebranntes Fahrzeug. Die Überbleibsel der Kampfhandlungen seien allgegenwärtig. Auch Luzia Tschirky geht davon aus, in Borodjanka eine noch verheerendere Situation anzutreffen als in den Städten Irpin und Butscha, die näher bei Kiew liegen. «Borodjanka war länger unter Kontrolle der russischen Armee und es haben dort heftige Kämpfe stattgefunden», sagt Tschirky. «Es wurde entsprechend noch mehr zivile Infrastruktur zerstört und noch mehr Zivilisten hatten unter dem Krieg zu leiden.»

Ukraine: Über 7000 Meldungen zu Kriegsverbrechen um Kiew

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Die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft verzeichnete nach eigenen Angaben mehr als 7000 Meldungen über russische Kriegsverbrechen in der Region um die Hauptstadt Kiew. Die meisten Opfer habe es in Borodjanka gegeben, sagte Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa der Agentur Unian zufolge Anfang Woche. «Ich denke, wir werden gesondert über Borodjanka sprechen.» Die Generalstaatsanwaltschaft arbeite an der Aufarbeitung von Kriegsverbrechen in Irpin, Butscha und Worsel.

Moskau bestreitet die ukrainischen Vorwürfe.

Der ukrainische Innenminister Denys Monastyrskyj bezeichnete Borodjanka als eine der am stärksten zerstörten Städte in der Region Kiew. Es werde wohl noch Monate dauern, die Opfer zu bergen und die Verstorbenen zu identifizieren, sagt Luzia Tschirky.

Selenski indes stellte in seiner Videobotschaft die Frage, was passieren werde, wenn die Welt erfahre, was russische Einheiten in der schwer umkämpften Hafenstadt Mariupol angerichtet hätten. Dort sei auf «fast jeder Strasse» das, was die Welt nach dem Abzug der russischen Truppen in Butscha und anderen Orten um Kiew gesehen habe.

EU-Delegation in der Ukraine

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Als Reaktion auf das Massaker an Zivilisten in Butscha beschlossen die EU-Mitgliedsstaaten am Donnerstag weitere Sanktionen gegen Russland. Darunter sind ein Importverbot für Kohle aus Russland sowie neue Beschränkungen für den Handel und ein weitgehendes Einlaufverbot für russische Schiffe in EU-Häfen. Aktuell befinden sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell mit einer Delegation in Kiew.

Wie der Westen auf die neuen Schreckensbilder reagieren wird, könne man nicht sagen, sagt SRF-Korrespondentin Luzia Tschirky. Klar sei jedoch, dass sich die Ukraine seit Beginn des Krieges einen besseren Schutz ihres Luftraumes wünscht, um die Zahl an zivilen Opfer zu reduzieren. Einen Schutz des Luftraumes über der Ukraine lehnt die Nato jedoch strikte ab.

Was die Realität des Krieges für die Menschen vor Ort bedeutet? «Das kann man sich nicht wirklich vorstellen und es ist ein Privileg, es nicht genau zu wissen», sagt die Korrespondentin, die die Nacht in einem Kiewer Hotel verbracht hat. Die Menschen hätten vielleicht ihr Zuhause, ihr Erspartes, ihr Hab und Gut verloren. Sie hätten vielleicht ihre Nächsten verloren oder wüssten nicht, wo ihre Angehörigen sind. Viele der Toten seien nicht identifiziert, die Behörden überfordert. «Ich habe mit einer Frau gesprochen, die ihren Schwiegersohn sucht, von dem angenommen wird, dass er tot ist», sagt Luzia Tschirky. «Sie sucht jetzt nach seinem Leichnam.»

Wie prüft SRF die Quellen in der Kriegsberichterstattung?

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Die Informationen zum Ukraine-Krieg sind zahlreich und zum Teil widersprüchlich. Die verlässlichsten Quellen sind eigene Journalistinnen und Reporter anderer Medien vor Ort, denen man vertrauen kann. Weitere wichtige Quellen sind Augenzeugen – also Menschen vor Ort, die Eindrücke vermitteln können.

Besonders zu hinterfragen sind Informationen von Kriegsparteien. Denn alle Kriegsparteien machen Propaganda – in diesem Angriffskrieg vor allem die russischen, offiziellen Quellen. Die Aussagen der Kriegsparteien ordnen wir entsprechend ein. Grundsätzlich gilt bei SRF: Je schwieriger und unzuverlässiger die Quellenlage, desto wichtiger ist Transparenz. Umstrittene Fakten und Informationen, die nicht unabhängig überprüfbar sind, werden als solche kenntlich gemacht.

SRF4 News, 8.4.2022, 6 Uhr ; 

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