In der Provinz Idlib im Nordwesten Syriens spielt sich eine humanitäre Katastrophe ab. Auf der Flucht vor dem Krieg im eigenen Land leben dort hunderttausende Syrer und Syrerinnen in Zeltstädten. Sie können weder über die Grenze in die Türkei fliehen noch in ihre Heimatdörfer zurückkehren.
Idlib ist die letzte Hochburg der Opposition. Der syrische Machthaber Assad ist entschlossen, die Region mithilfe russischer Truppen zurückzuerobern. Die Türkei will dies um jeden Preis verhindern. Die Menschen stecken fest. Am schlimmsten trifft die Situation die Kinder.
Flüchtlingslager «Atmeh»
50 Meter von der türkischen Grenze entfernt reihen sich zehntausende Zelte und provisorisch aufgestellte Unterkünfte des Flüchtlingslagers «Atmeh» aneinander. Es ist zum grössten Lager der syrischen Binnenflüchtlinge angewachsen.
Die Familie von Mohammad und Layla lebt mitten im Lager, hinter Betonmauern. Seit mehr als einem Jahr sind sie aus dem Süden Idlibs nach Atmeh geflüchtet. Für ihre drei Kinder wäre die Schule gratis, jedoch kann sich die Familie weder den Transport zur Schule noch das Schulmaterial leisten.
Vater Mohammed leidet unter den Folgen eines Giftgas-Angriffs. Er bräuchte medizinische Hilfe. Priorität aber habe die Zukunft seiner Kinder: «Falls es eine Chance gibt, nach Europa zu fliehen, würde ich das für meine Kinder tun, damit sie dort eine richtige Ausbildung bekommen.»
Nicht nur an der Schulbildung mangelt es im Flüchtlingslager. Die Kälte dringt durch die Dach-Planen ins kahle Zimmer. Eine Heizung kann sich die Familie nicht leisten. In kalten Nächten herrschen Temperaturen unter dem Gefrierpunkt. Mutter Layla erzählt unter Tränen: «Als ich morgens um sechs Uhr aufwachte und zum Kind schaute, sah ich, dass etwas nicht in Ordnung war. Die Hand des Kindes war eiskalt. Wir fuhren ins Spital. Doch das Kind war schon erfroren.»
Bildung und ein Lachen für Kinder
15 Kilometer entfernt von diesem Elend, in den Bergen bei Tal Adeh, befindet sich ein weiteres Zeltlager. Scharen von kleinen Kindern rennen durch die Felder auf denen weisse und blaue Zelte stehen. Sie haben den Frieden in Syrien nie gekannt. Und trotzdem: Sie haben Glück im Unglück.
Eines der Zelte ist eine Schule. Dem Lehrer ist es wichtig, dass die Kinder weiterhin unterrichtet werden. Das ist auch für Aziz al-Asmar das Wichtigste: «Lernen ist ein Menschenrecht. Ein Recht für diese Kinder.»
Der syrische Strassenkünstler besucht das Lager immer wieder als Freiwilliger. Er bemalt mit den Kindern deren Zelte und lässt sie für einen Moment den Krieg vergessen. Ihm und seinen Freunden ist es ein Anliegen, den Kindern wieder ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Sie schaffen dies mit Rollenspielen und Puppentheatern.
Für Aziz al-Asmar, der sich in seiner Kunst auch kritisch gegenüber dem Regime von Machthaber Assad äussert, ist eines klar: «Dieses Regime kann Häuser zerbomben und das Land dem Erdboden gleichmachen, aber die Träume der Kinder kann es nicht zerstören.»