- Der in Genf publizierte Bericht der unabhänigen Untersuchungskommission zeigt: Die syrische Luftwaffe hat im April in Chan Scheichun Giftgas eingesetzt.
- Laut dem Bericht verstiess auch die US-Armee gegen Völkerrecht.
- Bei der Bombardierung von Chan Scheichun wurden mehr als 80 Personen getötet und über 290 verletzt.
Die UNO-Kommission zur Lage der Menschenrechte in Syrien hatte selbst keinen Zugang zum Land. Für ihre Untersuchungen befragten die UNO-Ermittler 43 Zeugen, Opfer und Ersthelfer. Zudem werteten sie Satellitenbilder, Fotos von Bombenresten und Frühwarnberichte aus.
Giftgaseinsatz bestritten
Diese liessen darauf schliessen, dass die Verantwortung für den Giftgasangriff im April bei der Regierung von Präsident Baschar al-Assad liegt, hiess es im Bericht. Daran mitgearbeitet hatte auch die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW).
Fotos vom Luftangriff auf Chan Scheichun zeigen Überreste einer chemischen Bombe, wie sie zu Zeiten der Sowjetunion üblich war, erklärte die Kommission. Der Sprengsatz wurde von einem Kampfflugzeug abgeworfen, das nur die syrischen Luftwaffe einsetzt.
Syrien und das verbündete Russland hatten den Einsatz von Giftgas bestritten. Vielmehr sei ein Giftgasdepot der Rebellen getroffen worden, wobei das Gas ausgelaufen sei. Die UNO-Kommission weist diese Version in ihrem Bericht zurück. Unter anderem seien die Opfer Stunden vor dem angeblichen Luftschlag gegen das Giftgasdepot attackiert worden.
Kritik an US-Luftangriffen
Die Beauftragten des UNO-Menschenrechtsrats fanden zudem Hinweise auf mindestens 23 weitere Chemiewaffenangriffe in Syrien seit März 2013.
In mindestens drei Fällen hätten Regierungstruppen giftiges Chlorgas eingesetzt bei Angriffen auf von Rebellen kontrollierte Gebiete in Idlib, Hama und Ost-Ghuta bei Damaskus. Die Untersuchungskommission fordert die Regierung auf, den Einsatz dieser Waffen sofort zu stoppen.
Ernsthaft besorgt äusserten sich die Ermittler auch über die Angriffe der von den USA angeführten internationalen Koalition. Bei einem US-Luftangriff auf eine Moschee nahe Aleppo im März seien entgegen der Forderung des humanitären Völkerrechts keine Vorkehrungen getroffen worden, um Zivilisten zu schützen. 38 Menschen wurden getötet, darunter zahlreiche Kinder.
Der Bericht geht zudem auf die von der UNO kritisierte Zwangsumsiedlung der Bevölkerung aus belagerten Städten ein. Hintergrund der Evakuierung ist ein Abkommen zwischen der Regierung und Rebellen zum Austausch der Bewohner mehrerer Ortschaften, die jeweils von der Gegenseite belagert werden.
Carla Del Ponte resignierte
Das Evakuierungsabkommen wird auch in Teilen der Opposition kritisch gesehen. Sie werten es als Zwangsumsiedlung, die die Feinde von Präsident Baschar al-Assad von den wichtigsten Städten im Westen Syriens entfernt. Die Regierung hat erklärt, durch die Umsiedlung könne sie die Kontrolle über die zerstörten Orte bei Damaskus übernehmen und dort die Versorgung wiederherstellen.
Der Angriff führte zu einer Auseinandersetzung zwischen Syrien und der früheren UNO-Chefanklägerin Carla Del Ponte, die daraufhin aus der Unabhängigen Internationalen UNO-Untersuchungskommission für Syrien austrat.
Del Ponte hatte in einem Fernsehinterview bereits das syrische Regime für den Angriff verantwortlich gemacht, das Gremium hatte dies jedoch noch nicht bestätigt.