Wenn wir eine SMS schreiben, bekommen wir in der Regel rasch eine Antwort. Wenn wir zwei Tage warten müssen, fangen wir an, uns Sorgen zu machen.
Menschen, die einen Angehörigen vermissen, sind teils über Jahre hinweg in der Situation, dass sie nicht wissen, was mit dieser Person passiert ist. Derzeit sucht das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) weltweit nach fast 100'000 Vermissten. Das sind so viele wie seit über zehn Jahren nicht mehr.
Handyverlust bedeutet oft auch Kontaktverlust
Gesucht werden vor allem Personen aus Afghanistan, Syrien, Somalia oder Eritrea – Menschen, die auf der Flucht sind vor Krieg und Vertreibung. In der Schweiz hilft das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) bei der Suche.
Leiterin dieses Dienstes ist Nicole Windlin. Sie hat eine Erklärung für den Anstieg der Anzahl vermisster Personen: «Im letzten Jahr mussten so viele Leute aus Kriegssituation oder Unsicherheit flüchten wie noch nie. Und Flucht ist leider auch oft mit Kontaktverlust verbunden.»
Bei einem Grenzübertritt oder wenn ein Angriff auf ein Dorf stattfinde, würden die Leute in alle Richtungen fliehen. «Danach haben sie Schwierigkeiten, den Kontakt wiederherzustellen.» Auch der Verlust des Handys führe oftmals dazu, dass Kontakte verloren gingen, weiss Windlin, etwa wenn alle wichtigen Nummern darauf gespeichert waren.
Vorteil für die, die lesen und schreiben können
Jedes Jahr melden sich beim SRK Menschen 60 bis 80 verschiedener Nationalitäten, um nach ihren Familienangehörigen suchen, so die Leiterin der Stelle. «Im letzten Jahr zum Beispiel waren die Hauptgruppen afghanische, somalische, eritreische, syrische, aber auch Schweizer Personen.»
Bei Menschen aus Somalia und Afghanistan komme erschwerend hinzu, dass sie nicht so gut vernetzt seien und zum Teil auch nicht lesen und schreiben könnten. Das verunmögliche die ganze Internet-Kommunikation, so Windlins Erfahrung. Und folglich hätten diese Personen auch oft mehr Schwierigkeiten, Kontakte wiederherzustellen, als zum Beispiel Flüchtlinge aus Syrien. «Diese sind oft sehr gut gebildet und können sich selber helfen.»
Resultate abhängig von Grösse des Suchradius'
Ob die Zusammenführung von Vermissten und Angehörigen gelingt, hängt von den Situationen ab. Diese sind unterschiedlich schwierig. «Wenn eine Person auf der ganzen Welt sein kann, ist die Suche sehr viel aufwändiger, als wenn wir einen konkreten Anhaltspunkt zum Aufenthaltsort haben», erklärt Windlin.
So ein Anhaltspunkt kann ein letzter Kontakt sein, oder dass jemand gehört hat, dass jemand in einem bestimmten Flüchtlingslager untergekommen ist. «Dann ist es natürlich einfacher.» Was den Suchdienst des SRK angeht, kann Windlin vermelden: «Im letzten Jahr konnten 208 Personen, die mit uns auf der Suche nach jemandem waren, die Familienkontakte wiederherstellen.»