Michael Saakaschwili war einst Präsident Georgiens. Später ernannte ihn der ukrainische Präsident Poroschenko zum Provinzgouverneur in Odessa. Mittlerweile sind die einstigen Freunde zerstritten – Saakaschwili wurde der ukrainische Pass entzogen. Dennoch ist Saakaschwili in die Ukraine eingereist und hat dort seine eigene Partei. Dem ukrainischen Präsidenten Poroschenko wirft er Korruption vor und fordert seinen Rücktritt. Nun wurde Saakaschwili festgenommen.
SRF News: David Nauer, was wird Michael Saakaschwili eigentlich vorgeworfen?
David Nauer: Saakaschwili soll laut Staatsanwaltschaft in der Ukraine einen Putsch geplant haben. Er habe Massenproteste organisieren wollen, um die Regierung zu stürzen und dabei habe er auch noch Unterstützung aus Moskau bekommen.
Sind die Anschuldigungen, Saakaschwili sei eine Marionnette Moskaus, denn glaubhaft?
So richtig vorstellen kann ich mir das nicht. Saakaschwili ist zwar eine schillernde Figur, aber er ist auch erklärter Gegner des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Dass nun prorussische Kräfte ausgerechnet ihn einspannen, um die Regierung Poroschenko in Kiew zu stürzen, scheint mir eine abenteuerliche These zu sein.
Saakaschwili ist ein erklärter Gegner des russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Ich denke, dass es hier um etwas anderes geht. In der Ukraine hat sich der Reflex entwickelt, Oppositionelle ziemlich schnell als Agenten des Klemls zu diskreditieren, statt sich mit deren Argumenten auseinanderzusetzen.
Michael Saakaschwili wirft Poroschenko und seiner Regierung Korruption vor. Was spricht für diese Vorwürfe?
Es gibt keine gerichtsfesten Beweise für Korruption in allerhöchsten Regierungskreisen. Doch es fällt auf, dass die Regierung Poroschenko in letzter Zeit weniger die Korruption, sondern vielmehr die Korruptionsbekämpfer bekämpft. Diese Woche hat die Partei des Präsidenten beispielsweise versucht, die unabhängige Anti-Korruptionsbehörde unter ihre Kontrolle zu bringen. Diese hat sehr energisch gegen korrupte Beamte und Politiker ermittelt und damit den Zorn der Mächtigen auf sich gezogen.
Warum ist dieser Versuch gescheitert?
Die westlichen Geldgeber verlieren mit Kiew langsam die Geduld und haben interveniert. Die EU und die Amerikaner unterstützen die Ukraine, verlangen aber im Gegenzug Reformen – und diese Reformen sind schon seit geraumer Zeit ins Stocken geraten. Als jetzt auch noch versucht wurde, durchgesetzte Reformen zurückzudrehen, soll die EU mit gravierenden Konsequenzen gedroht haben. Demnach sollen EU-Diplomaten gesagt haben, die Ukraine würde die erst kürzlich gewährte Visumsfreiheit wieder verlieren, sollte das Land im Kampf gegen die Korruption nicht Ernst machen. Diese Drohungen haben gewirkt. Sie zeigen aber auch, wie sehr Kiew vom Westen abhängig ist und wie widerspenstig sich das Land in Richtung westlicher Standards bewegt.
Viele Ukrainer sind enttäuscht von Poroschenko. Er hat nach der Maidan-Revolution grosse Hoffnungen geweckt.
Poroschenko war einst angetreten, um die Korruption zu bekämpfen. Jetzt scheint sich der ukrainische Präsident so zu verhalten, wie diejenigen, welche er einst bekämppft hat.
So schlimm, wie vor dem Jahr 2014 ist es nicht, aber es ist schon so: Viele Ukrainer sind enttäuscht von Poroschenko. Er hat nach der Maidan-Revolution grosse Hoffnungen geweckt. Die Ukraine sollte sich in Richtung Europa bewegen. Es sollte ein Rechtsstaat errichtet werden, der diesen Namen auch verdient. Doch diese Dinge wurden nur sehr zaghaft angegangen. Natürlich lähmt der Krieg im Osten des Landes die Reformbemühungen. Rund um Poroschenko gibt es aber Leute, die keine Reformen wollen. Zudem sagen Experten im Westen und der Ukraine, dass Poroschenko der falsche Mann ist, um die Versprechen der Maidan-Revolution einzulösen.
Wie sicher sitzt Poroschenko denn im Sattel?
Derzeit gibt es niemanden, der ihm direkt gefährlich werden könnte. Allerdings sind auf 2019 reguläre Präsidentschaftswahlen angesetzt. Wenn wir uns die Umfragen dazu betrachten, ist die Wiederwahl von Poroschenko alles andere als sicher.
Das Gespräch führte Roman Fillinger