Hunger, Gewalt, Medikamentenknappheit, Hyperinflation und Millionen Menschen, die das Land bereits verlassen haben. Venezuela ist seit sechs Jahren geprägt vom sozialistischen Präsidenten Nicolas Maduro. Dieser ist heute für eine weitere Amtszeit vereidigt worden. Ein Schweizer Unternehmer, der seit über 40 Jahren im Land lebt und arbeitet, berichtet. Aus Angst vor Konsequenzen will er anonym bleiben.
SRF News: Wie hat sich das Land in den letzten Jahrzehnten verändert, vor allem unter Präsident Maduro?
Augenzeuge: Das Land hat sich von einem dynamischen Schwellenland mit viel Neuem zu einem Land des Stillstands gewandelt. Mit Präsident Maduro sind nun auch die grossen Erdöleinkommen weggefallen. Es fehlen die Devisen, um all die Engpässe mit Einkäufen im Ausland überbrücken zu können. Jetzt steht alles still, die Infrastruktur zerfällt.
Wie wirkt sich das auf den öffentlichen Verkehr aus, beispielsweise die U-Bahn in Caracas?
Man kommt vorwärts, aber man muss lange warten. Wenn die Züge kommen, sind sie überfüllt. Die Klimaanlagen funktionieren nicht mehr. Die schwierige Lage färbt auch auf die Benützer ab, die guten Sitten sind im Zerfall begriffen. Es ist unangenehm, in diesen Zügen zu reisen. Die zum grösseren Teil privat betriebenen Anschlussbusse werden zudem jeden Tag weniger. Denn die Betreiber können wegen der Inflation den Unterhalt nicht mehr bezahlen.
Wie sieht es mit dem Einkauf von Lebensmitteln aus?
In den Supermärkten fehlen viele Produkte. Wer Geld hat, kann mit dem Auto die verschiedenen Supermärkte abklappern. Ohne Auto wird es schwierig. Es gibt Supermecados, wo in langen Gängen nur ein Produkt zu finden ist, beispielsweise Wasserflaschen.
Was erhoffen sich ihre venezolanischen Arbeitskollegen von einer zweiten Amtszeit Maduros? Haben sie überhaupt noch Hoffnung?
Das kommt auf die soziale Schicht an. Die untere Schicht hat noch Hoffnung, dass sich die Probleme in ein bis zwei Jahren lösen lassen. Sie sagen, es müsse einfach besser werden. Menschen aus der Mittelschicht und höheren Schichten dagegen haben die Hoffnung eigentlich verloren. Sie glauben nicht daran, dass die Regierung die Probleme noch lösen kann, wenn sie es bisher nicht geschafft hat.
Das Gespräch führte Afra Gallati.