Was brachte das bisherige Abkommen? Die bestehende internationale und rechtlich bindende Übereinkunft habe viel dazu beigetragen, dass die Arbeitsplatzsicherheit in den Textilfabriken deutlich gestiegen ist, sagt Felix Kolbitz, Leiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bangladesch. Das Abkommen läuft allerdings Ende August definitiv aus – was sich bereits auf die Anzahl gemeldeter Vorfälle auswirke. «In der aktuellen Übergangsphase sehen wir bereits, dass die Fabrikbrände wieder zunehmen.» Auch die Coronakrise trage ihren Teil zur Verschlechterung bei.
Was wird am Nachfolgeabkommen kritisiert? Es liegt zwar ein neues Abkommen vor, aber das rechtlich nicht bindende Papier bedeute weniger Sicherheit für die Arbeiterinnen, befürchten NGOs und Gewerkschaften. Denn der dafür zuständige Sustainability Council, kurz RSC, ist nicht international, sondern privatrechtlich organisiert. Ihm wird Intransparenz vorgeworfen. «Hinzu kommt, dass er von regierungsnahen Arbeitgeberverbänden dominiert wird, die einen erheblichen finanziellen Einfluss im RSC haben», erklärt Kolbitz. Die Gewerkschaften in Bangladesch seien zudem zerstritten und nicht in der Lage, mit einer Stimme zu sprechen.
Wie reagieren internationale Modeketten? Das bisherige Abkommen kam zustande, nachdem vor acht Jahren ein Fabrikgebäude eingestürzt war. Dabei starben über 1000 Menschen. Die internationale Textilbranche gelobte Besserung. «Als Abnehmerin der in Bangladesch hergestellten Kleider müsste sie eigentlich daran interessiert sein, dass die Sicherheit der Arbeiterinnen und Arbeiter gewährleistet ist», sagt Kolbitz, der in Dhaka lebt. Doch bisher sehe man vielmehr eine gewisse Zurückhaltung. «Es beteiligen sich nur wenige am neuen Mechanismus. Das hat wohl auch etwas mit den genannten Kritikpunkten zu tun.»
Wie steht es um die Textilindustrie heute? Insgesamt hat sich die Arbeitsplatzsicherheit in den Textilfabriken und in der für den Export verarbeitenden Lederindustrie in Bangladesch in den letzten Jahren verbessert. Fabriken wurden geschlossen, wenn die Kontrolleure dies empfahlen, und es gab Trainings für Arbeitsplatzsicherheit. «Insofern kann man sagen, dass das alte Abkommen ein Erfolg war», so der Vertreter der Ebert-Stiftung, die der deutschen SPD nahesteht. In anderen Branchen sei nicht derselbe Standard erreicht worden. «Umso dramatischer ist es, dass es mit dem Nachfolgeabkommen noch nicht so läuft, wie es sollte.»
Wie kann die Sicherheit künftig gewährleistet werden? Laut Kolbitz wäre es wichtig, dass die Kontrollbehörden von Regierungsseite her finanziell und personell so ausgestattet werden, dass sie ihre Kontrollen auch durchsetzen können. «Und vor allem sollten sie eine rechtliche Handhabe bekommen, auch Konsequenzen daraus zu ziehen und gegebenenfalls Fabriken zu schliessen oder zumindest mit Auflagen zu versehen.» Denn derzeit betrage die tiefste Strafe 10 Taka, das sind etwa 10 Rappen. «Wenn ich das als Strafe bekomme, bin ich nicht unbedingt bereit, deutlich mehr Geld auszugeben, um die Sicherheit in meiner Fabrik zu verbessern.»
Auch die Verbraucherinnen und Verbraucher haben die Möglichkeit, Druck auf die Unternehmen und Marken auszuüben.
Lieferketten könnten für internationalen Druck sorgen, damit Unternehmen und Marken sich auch weiterhin für Arbeitsplatzsicherheit in Bangladesch engagieren. Auch die EU habe diese Möglichkeit, so Kolbitz. «Und zu guter Letzt haben auch die Verbraucherinnen und Verbraucher die Möglichkeit, sich zu informieren und Druck auf die Unternehmen und Marken auszuüben.»