Erstmals stösst das Dulden der illegalen Abholzung im Amazonasgebiet durch die Bolsonaro-Regierung in Brasilien selbst auf breite Ablehnung. Die Chefs der landesweit 50 grössten Unternehmen fordern eine Kehrtwende. Sie befürchten, der internationale Druck auf Brasilien könne bald zum Boykott ihrer Produkte führen.
Einflussreiche Industrielle gegen Bolsonaro
Seit den absichtlich gelegten Amazonas-Buschfeuern im letzten Jahr steht der rechtsradikale Präsident Jair Bolsonaro international im Gegenwind – um den guten Ruf Brasiliens ist es geschehen. Doch dass sich jetzt auch im Inland Druck aufbaut, ist neu.
Ehemalige Verbündete aus der Wirtschaft wenden sich vom Staatspräsidenten ab, dem notorischen Klimawandel-Leugner. Dazu gehören einige der grössten brasilianischen Firmen, ebenso frühere Finanzminister und Zentralbankchefs.
Auch die internationalen Investoren werden ungeduldig. Sie drohen, Geld aus der brasilianischen Rindfleischproduktion oder aus Staatsanleihen abzuziehen, sollte die Regierung die illegale Abholzung im Regenwald nicht stoppen. Hier geht es um bedeutende Finanzgruppen, die zusammen 2000 Milliarden Vermögen verwalten.
Brandrodungsverbot als Staatspolitik?
Marina Grossi vom Verband der nachhaltig produzierenden Firmen Brasiliens macht klar, dass es beim Vorstoss der Grossunternehmen gegen die illegale Abholzung auch um Eigeninteressen der Branche geht. So hätten viele Verbandsmitglieder – etwa Kosmetikfirmen – Produktionsstätten im Amazonasgebiet. «Und sie halten sich an die Gesetze», so Grossi. Sie wollten vermeiden, dass ihre Produkte boykottiert werden.
Grossi fordert, Brasilien müsse das Verhindern von illegalen Brandrodungen zur Staatspolitik erklären; also Massnahmen treffen, die für die aktuelle und für die zukünftigen Regierungen verbindlich sind.
Armee will Kriminellen das Handwerk legen
In einer Unterredung mit den Chefs der 50 grössten Unternehmen Brasiliens machte der für die Amazonaspolitik zuständige Vizepräsident klar, dass jetzt schnell etwas geschehen müsse. Der General verspricht, den Kriminellen, die vorsätzlich im Urwald Feuer legen, schon in den nächsten zwei Jahren das Handwerk zu legen. Präsident Jair Bolsonaro doppelte nach und verbot diese Woche Brandrodungen – zunächst für vier Monate.
In Zukunft könne eine Produktkennzeichnung den grossen Unterschied ausmachen, sagt Verbandsvertreterin Grossi. Mit dieser Methode sei der Nachweis zu erbringen, dass auf legalen, also nicht brandgerodeten Flächen angebaut oder geweidet wurde. Würde die Regierung schnell eine gesetzliche Pflicht für das Chippen von Nutztieren erlassen, gelänge Brasilien ein grosser Sprung nach vorn, ist Grossi überzeugt.
Jedes Rind rückverfolgbar
Vorreiter ist Mafrig, ein Fleischkonzern mit zehn Milliarden Dollar Jahresumsatz. In wenigen Jahren werden alle für den Konzern aufgezogenen Rinder mit Chips ausgestattet sein; das Filet oder die Huft also bis auf die Weide rückverfolgbar sein. Das Tracking gibt Auskunft darüber, ob das Tier auf legal oder illegal angelegten Weiden gehalten wurde.