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Esoteriker und Rechtsextreme im Kampf gegen Corona-Massnahmen-
Aus SRF 4 News aktuell vom 03.09.2020. Bild: Keystone/Archiv
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Kritik an Corona-Massnahmen Religionsforscher: «Gefahr der ‹braunen Esoterik› ernstnehmen»

Bei den kleineren und grossen Protesten gegen Corona-Massnahmen im In- und Ausland stechen immer wieder zwei Gruppierungen hervor: Rechtsradikale und Esoteriker. Der «esoterische Neonazismus» habe sich in der Nachkriegszeit entwickelt und die Ablehnung der Schulmedizin als gemeinsamen Nenner, erklärt Religionswissenschaftler Julian Strube.

Julian Strube

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Der Religionswissenschaftler Julian Strube ist seit 2019 an der Universität Münster im Bereich «Religion und Politik» tätig. Er hat sich in seiner Arbeit unter anderem intensiv mit dem Thema «Esoterik und Rechtsextremismus» auseinandergesetzt.

SRF News: Inwieweit sind Esoterik und Rechtsextremismus historisch miteinander verknüpft?

Julian Strube: Im 19. Jahrhundert finden wir uns in sozialreformerischen Kontexten sowohl auf dem linken wie auf dem rechten politischen Spektrum wieder. Es geht um alternative Lebensformen, Ernährung, Gesundheit, verschiedene Formen des Zusammenlebens. Diese werden Ende des 19. Jahrhunderts besonders in völkischen Kreisen und im diffusen Bereich der Lebensreform politisch stark mit rechtem Gedankengut in Verbindung gebracht.

Zur Zeit des Nationalsozialismus wird das sehr ambivalent und unterschiedlich aufgenommen. Es hängt sehr stark von Persönlichkeiten ab. Heinrich Himmler beispielsweise hat sich für Anthroposophie (Rudolf Steiner) und besonders für biodynamischen Ackerbau interessiert. Andere Leute wie Martin Bohrmann, Joseph Goebbels und Adolf Hitler selbst haben das polemisch abgelehnt.

In der Nachkriegszeit entwickelt sich dann etwas, das ich «esoterischen Neonazismus» nenne. Vor dem Hintergrund einer Vermischung nationalsozialistischer, neonazistischer, völkischer und New-Age-Ideen.

Ich nenne es «esoterischen Neonazismus»: Eine Vermischung nationalsozialistischer, neonazistischer, völkischer und New-Age-Ideen.
Autor: Julian Strube Religionswissenschaftler

Sie sprechen von New-Age-Spiritualität bei der Neuen Rechten von heute. Welche Denkmuster teilen diese beiden Szenen heute?

Ich würde grundsätzlich nicht von «zwei» Szenen sprechen, weil es sich um sehr unterschiedliche Milieus handelt, die sehr unterschiedliche Individuen und Gruppen umfassen. Allerdings gibt es einen gemeinsamen Nenner: Die Ablehnung der als hegemonial wahrgenommenen Schulmedizin und die Berufung auf ein esoterisches, buchstäblich geheimes Wissen. Dieses wird von solchen Eliten, die ja auch mit der Medizin zusammenhängen, unterdrückt. Das kann inhaltlich sehr unterschiedlich gefüllt werden. Der Schritt zu antisemitischen Denkmustern ist ein kleiner, muss aber nicht getan werden.

Der Schritt zu antisemitischen Denkmustern ist ein kleiner, muss aber nicht getan werden.
Autor: Julian Strube Religionswissenschaftler

Wie verbreitet ist das rechtsesoterische Gedankengut in der Gesellschaft?

Gerade in der Popkultur gibt es extrem starke Rezeptionsstränge, Blockbuster wie «Captain America» beispielsweise. Diejenigen, die sich wirklich politisch radikal dafür einsetzen, schätze ich als nicht sonderlich zahlreich ein. Allerdings breiten sich Symbolik und Symbole weit über diesen engeren Kreis hinaus aus, und die Strahlkraft ist dann doch relativ gross.

Kundgebungsteilnehmer in Superman-Kostüm spricht bei einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen an der Siegessäule. Foto: Christophe Gateau/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ (KEYSTONE/DPA/Christophe Gateau)
Legende: Ein Kundgebungsteilnehmer in Superman-Kostüm spricht bei einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen an der Siegessäule. Keystone

Die Strahlkraft wird auch durch die sozialen Medien verstärkt, die bei der Radikalisierung eine wichtige Rolle spielen. Wie gefährlich ist heute diese «braune Esoterik»?

Man muss sie ernstnehmen. Es ist sicherlich so, dass diese Ideen auch global gesehen sehr effektiv sind, um verschiedene Leute zu vernetzen. Um verschiedene Ideen zu kommunizieren, auch in vielleicht zunächst harmlos wirkender Form wie übers Internet oder popkulturelle Elemente.

Diese Ideen sind auch global gesehen sehr effektiv, um verschiedene Leute zu vernetzen. Man muss sie ernstnehmen.
Autor: Julian Strube Religionswissenschaftler

Man sieht aber auch konkrete Beispiele wie etwa kämpfende faschistische Milizen in der Ukraine oder radikale Bewegungen in Italien oder Frankreich. Oder eben den Bereich der Alt-Right-Bewegung und den Attentäter von Christchurch. Alle bedienen sich solcher Symbolik. Da braucht es auf jeden Fall eine verstärkte Forschung und eine Bewusstseinsschärfung von Seiten der Politik.

Das Gespräch führte Igor Basic.

SRF 4 News, 03.09.2020, 08:00 Uhr ; 

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