Der Schweizer Geheimdienst NDB ist besorgt über die innenpolitischen Entwicklungen in der Ukraine. Dies geht aus einer vertraulichen Lagebeurteilung des NDB hervor, wie die «NZZ am Sonntag» berichtete. Im Hinblick auf die Präsidentschaftswahlen 2024 befände sich die Ukraine an einem kritischen Punkt, da der amtierende ukrainische Präsident Wolodimir Selenski angeblich zu unfairen Mitteln greift. Genauer heisst es im Bericht des NDB, dass Selenski versuche, den Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko, auszuschalten, und mit solchen Aktionen autoritäre Züge zeige.
Alltag in der Ukraine
Den Nationalrat der Grünliberalen und Ukraine-Kenner Martin Bäumle überrascht das problematische Vorgehen von Selenski nicht. «Es ist nichts Neues, dass in der Ukraine Politik so geht, und man versucht, den politischen Gegner irgendwie aus dem Weg zu räumen.» Das sei schon in der Vergangenheit der Fall gewesen und habe mit der aktuellen Kriegslage eigentlich nichts zu tun, meint Bäumle. Trotzdem dürfe die momentane Situation, in der sich die Ukraine befindet, nicht ausser Acht gelassen werden.
Auch die problematische Entwicklung im Bereich der Korruption sei bereits in Friedenszeiten ein grosses Thema gewesen, natürlich verschlechtere eine Kriegslage solche Problematiken. Da in diesem Land momentan das Kriegsrecht herrsche, müsse ein milderer Blick auf das Ganze geworfen werden, sagt Bäumle.
Klitschko ist keine Konkurrenz
Nach Ulrich Schmid, Professor für Osteuropastudien an der Universität St. Gallen, geht Selenski gegen den falschen Kontrahenten vor. Für Selenski stellt Vitali Klitschko laut Schmid nämlich keine echte Konkurrenz dar, da Klitschko selbst auch schon harsch in der Kritik stand, nicht genügend Schutzraum für die Kiewer Bevölkerung zur Verfügung gestellt zu haben. Gefährlich für Selenski könne höchstens Generalstabchef Waleri Saluschni werden, da Schmid zufolge nur ein militärischer Held die Wahl zum Präsidenten gewinnen kann.
Selenski will das Feld für sich allein
Inwiefern Klitschko und Saluschni als ernstzunehmende Konkurrenz im Rennen um die Präsidentschaftswahl bezeichnet werden können, ist zum heutigen Zeitpunkt noch unklar. Für Wolodimir Ariev, Politiker und Enthüllungsjournalist aus der Ukraine, steht fest, dass Selenski den beiden keine Erfolge gönnen würde.
«Als ehemaliger Schauspieler mag Selenski anderen keinen Erfolg gönnen. Er möchte das politische Feld für sich allein haben.» Im Vergleich zu Selenski sei Saluschni viel populärer beim ukrainischen Volk, sagt Ariev. Unstimmigkeiten oder gar Auseinandersetzungen zwischen den beiden sind bis jetzt noch nicht bekannt. Nach der Meinung des ukrainischen Journalisten müsse man darauf aber nicht mehr lange warten.
Fakt ist: Selenski befindet sich momentan in einer äusserst starken Position. Als militärischer Held und Kämpfer für die Freiheit wird er seit Ausbruch des Krieges wahrgenommen, dadurch fliegen ihm international die Sympathien zu.