Nach einer Reihe von Bestechungsskandalen hat der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski mehrere ranghohe Beamte entlassen. Mit Hausdurchsuchungen will er härter gegen Korruption vorgehen. Witali Schabunin, Leiter der NGO Anti-Corruption Action Center in Kiew, hält wenig davon.
SRF News: Wie wichtig sind die Entscheidungen der vergangenen Wochen im Kampf gegen die Korruption in der Ukraine Ihrer Meinung nach?
Witali Schabunin: Das Resultat im Kampf gegen die Korruption wird minimal sein. Statt das dafür zuständige Anti-Korruptionsbüro wurde der Inlandsgeheimdienst beigezogen. Vor Gericht wird die Beweisführung nicht standhalten, wenn nicht die zuständigen Stellen einbezogen wurden.
Wenn jemand in unserer Regierung denkt, dass diese Bilder von Hausdurchsuchungen jemanden verblüffen werden, dann muss ich sie enttäuschen.
Der stellvertretende Leiter der Präsidentenadministration hätte schon vor einem Jahr wegen anderer Skandale entlassen werden sollen – nicht weil er während des Krieges mit einem Porsche unterwegs war. Daran zeigt sich, dass in unserem Land Korruption nicht effektiv bekämpft wird.
Weswegen besteht ein Interesse daran, solche Bilder vom Kampf gegen die Korruption der Öffentlichkeit zu zeigen?
Der EU-Gipfel in Kiew steht vor der Türe. Generalstaatsanwalt und Inspektoren sind angereist. Wenn jemand in unserer Regierung denkt, dass diese Bilder von Hausdurchsuchungen jemanden verblüffen werden, dann muss ich sie enttäuschen. Auf den ausländischen Botschaften arbeiten gescheite Analysten, welche die ukrainische Strafprozessordnung lesen können und verstehen, was mit diesen Untersuchungen geschehen wird.
Falls man damit europäische Partner verblüffen wollte, wird dieser Versuch nicht erfolgreich sein. Ich kann ein solches Verhalten nicht ertragen, denn auch die vorangegangene Regierung hat sich so verhalten.
Diese Woche fand auch eine Hausdurchsuchung beim Oligarchen Ihor Kolomoisky statt. Ist das Ihrer Meinung nach ein Zeichen dafür, dass seine Nähe zu Präsident Selenski ihn nicht länger schützt?
Das Anti-Korruptionsbüro hat fünf Untersuchungen zu den Top-Korruptionssystemen von Kolomoisky am Laufen, einige Fälle sind sogar vor Gericht gelandet. In einem der kleineren Fälle gab es sogar schon ein Urteil. So sieht Kampf gegen die Korruption aus. Aber was wurde denn diese Woche gefunden? Ausser Fotos wurden keine Details publiziert.
Wir müssen alle verbleibenden Ställe der Korruption aufräumen: Steuer- und Zollbehörden, Staatsanwaltschaften und die Polizei.
Das heisst, es geht nicht darum, Beweise vorzulegen, sondern Bilder zu zeigen. Der Kampf gegen Korruption wird von unabhängigen Institutionen geführt, die ihren Job machen, keine PR-Bilder.
Seit dem Maidan 2014 wurde der Korruption offiziell den Kampf angesagt. Weswegen wurden Ihrer Meinung nach die nun eingeleiteten Schritte nicht schon früher vollzogen?
Die Regierung, die nach dem Maidan an die Macht gelangte, kam nicht aus dem Nichts. Personen an Schlüsselpositionen waren bereits zuvor an der Macht. Was sich verändert hatte, war die Fähigkeit der Gesellschaft, das von der Regierung einzufordern, was nötig war. Diese Forderung nach Gerechtigkeit ist geblieben. Deshalb gibt es das Anti-Korruptionsbüro und andere Institutionen.
Es ist nicht die Regierung, die das wollte – es ist die Gesellschaft, die die Behörden mithilfe der Medien, Organisationen und mithilfe des Westens dazu gezwungen hat, diese Institutionen zu schaffen und sie dann mehrere Jahre lang verteidigt hat. Jetzt müssen wir alle verbleibenden Ställe der Korruption aufräumen: Steuer- und Zollbehörden, Staatsanwaltschaften und die Polizei.
Das Gespräch führte Luzia Tschirky.