- Auch nach der Verabschiedung des Gesetzes zur schärferen Kontrolle von aus dem Ausland finanzierten Nichtregierungsorganisationen (NGOs) halten die Proteste in Georgien an.
- Als letzten Schritt überstimmten die Abgeordneten das Veto von Präsidentin Salome Surabischwili gegen das Gesetz.
- Kritiker beklagen, das «Agentengesetz» sei nach russischem Vorbild verfasst und gefährde die EU-Perspektive von Georgien, einer ehemaligen Republik der Sowjetunion.
Zu Tausenden haben Menschen in der Südkaukasusrepublik Georgien erneut gegen ein umstrittenes Gesetz zur Kontrolle ausländischer Finanzierung für Projekte der Zivilgesellschaft und Medien protestiert.
Für das neue «Agentengesetz» votierten 84 der 150 Abgeordneten, ungeachtet der Proteste und angedrohter Sanktionen des Westens. Sie überstimmten damit das Veto von Präsidentin Salome Surabischwili. Für die Zurückweisung des Vetos reicht eine einfache Mehrheit aus.
Regierung im Oktober loswerden
Das sogenannte Agentengesetz verschärft die Rechenschaftspflicht von Nichtregierungsorganisationen, die mehr als 20 Prozent ihres Geldes aus dem Ausland erhalten. Die Regierungspartei Georgischer Traum, die im Parlament die Mehrheit hält, begründet dies damit, eine höhere Transparenz herzustellen.
Surabischwili rief die Demonstrierenden nun auf, ihre Energie auf das Sammeln von Unterschriften für eine Volksabstimmung gegen das Gesetz zu konzentrieren. Zugleich erinnerte sie daran, dass in der Schwarzmeerrepublik am 26. Oktober ein neues Parlament gewählt werde und die Menschen die Chance hätten, die jetzige Regierung loszuwerden.
Heftiger Schlagabtausch im Parlament
Die Debatte im Parlament war erneut von heftigen gegenseitigen Vorwürfen von Regierung und Opposition geprägt. Die oppositionelle Abgeordnete Anna Zitlidse warf der politischen Führung eine «gedankenlose Politik» vor, die den Weg Georgiens in die EU versperre und dem Land viele Probleme bereiten werde.
Parlamentspräsident Schalwa Papuaschwili wiederum beschuldigte die Opposition, nicht im nationalen Interesse, sondern im Interesse anderer Länder zu agieren. Das sei offener Verrat.
Wochenlange Massenproteste
Vor dem Parlament versammelten sich erneut Tausende Menschen, um gegen das Gesetz zu protestieren. Die Polizei war ebenfalls mit einem Grossaufgebot vor Ort, berichteten Reporter der Nachrichtenagentur DPA. Die Demonstrierenden beschimpften Vertreter der Partei Georgischer Traum als «Sklaven», «Verräter» und «Russen».
Die Regelung mit dem Namen «russisches Gesetz» ist nach Ansicht der Gegner der Vorlage dazu da, kritische Organisationen mundtot zu machen. Sie vergleichen es mit dem in Russland erlassenen Gesetz gegen sogenannte ausländische Agenten. Damit werden seit Jahren die Opposition und unabhängige Medien unterdrückt. Viele Demonstranten fürchten, dass dieser politische Kurs auch den angestrebten Beitritt zur EU in Gefahr bringt.
Internationale Kritik am Gesetz
Vertreter der EU hatten gefordert, dass die Regierung das Gesetz zurückziehen solle. Auch der Europarat kritisierte die Bestimmung. In der aktuellen Fassung des Gesetzes gebe es fundamentale Fehler, die erhebliche negative Folgen hätten für die Meinungs- und Versammlungsfreiheit, das Recht auf Privatleben und das Recht, sich gesellschaftlich zu engagieren.
Die USA wollen laut Aussenminister Antony Blinken Visa-Beschränkungen verhängen für «Personen, die für die Untergrabung der Demokratie in Georgien verantwortlich sind». Zudem werde die bilaterale Zusammenarbeit mit dem Land geprüft.
Die georgische Regierung liess sich davon nicht irritieren. Die angekündigten Sanktionen wies sie als Einmischung in die inneren Angelegenheiten zurück.