Man nennt ihn den Schlächter vom Balkan, Ratko Mladic, den ehemaligen General der bosnischen Serben im Bosnienkrieg der 90er-Jahre. Seit heute Nachmittag ist klar: Mladic bleibt lebenslang im Gefängnis.
Viele Menschen in Bosnien-Herzegowina aber dürfte das heutige Urteil aus Den Haag kaum interessieren. Kriegsverbrecher gelten da bei vielen noch als Helden.
Heldenempfänge in der Heimat
«Wenn ich vergleiche zwischen heute und vor 10 Jahren, stellen wir fest, dass sich Politiker weniger scheuen, die Straftaten zu verneinen und die Straftäter zu verherrlichen», erklärt Chefankläger Serge Brammertz.
Es legt eine Hypothek auf die neuen Generationen, wenn man ein Studentenheim nach Karadzic benennt oder Mladic zum Vorsitzenden der Veteranen-Organisationen ernennt.
Die Verärgerung ist Brammertz gut anzumerken. Noch vor ein paar Jahren sei die Bevölkerung mit verurteilten Kriegsverbrechern härter ins Gericht gegangen, sagt er. Heute gebe es Heldenempfänge für jene Verurteilten, die ihre Strafe abgesessen haben und in ihre Heimat zurückkehren.
Die veränderten Umstände haben auch mit der politischen Macht zu tun. Seit 2012 sind in Serbien wieder jene Kräfte am Ruder, die auch während der Kriege eine wichtige Rolle gespielt hatten.
Erschwerte Arbeit des Chefanklägers
In Bosnien befeuert Milorad Dodik, der wohl mächtigste Politiker der bosnischen Serben, die Rhetorik der kriegerischen Neunzigerjahre. Noch am Wochenende hatte er erklärt, es sei für das serbische Volk inakzeptabel, dass die Richter aus Mladic einen Kriminellen machten.
Solche Aussagen erschwerten die Arbeit des Gerichts ungemein, sagt Brammertz: «Das ist extrem bedauerlich, denn es legt eine Hypothek auf die neuen Generationen, wenn man ein Studentenheim nach Karadzic benennt oder Mladic zum Vorsitzenden der Veteranen-Organisationen ernennt.»
Die Geschichte des Jugoslawien-Tribunals galt bisher als Erfolgsgeschichte der internationalen Strafjustiz. Zwar dauerten die Verfahren meist lange, aber am Ende landeten die Kriegsverbrecher im Gefängnis. Danach aber gerieten sie in Vergessenheit.
Das hatte Folgen, wie zwei Wissenschafter der Freien Universität in Amsterdam in ihrer Untersuchung über die Rehabilitierung von Kriegsverbrechern feststellten. Für islamische Terroristen gebe es im Gefängnis De-Radikalisierungsprogramme, für Pädophile Therapien.
Keine Therapien für Kriegsverbrecher
Für Kriegsverbrecher jedoch gebe es nichts, erklärten die Wissenschafter in der niederländischen Zeitung «De Volkskrant». Diese würden einfach ihrem Schicksal überlassen. Im Krieg verübten diese Männer die schrecklichsten Verbrechen, im Gefängnis jedoch benahmen sie sich hochanständig und hielten sich an die Regeln. So erfüllten sie die Kriterien für eine frühzeitige Freilassung. Einmal zurück in der alten Heimat, leugneten sie ihre Taten aber und hielten an ihren Ideologien fest, so die Forscher.
Das Jugoslawien-Tribunal hatte vom UNO-Sicherheitsrat nicht nur den Auftrag bekommen, die Balkankriege juristisch aufzuarbeiten. Sondern auch zur Versöhnung zwischen den Bevölkerungsgruppen beizutragen. Unter diesen Umständen ist das sehr schwierig bis unmöglich.
Brammertz fordert deshalb eine gesetzliche Lösung: «Wenn Politiker sich nicht verantwortungsvoll genug zeigen, einzusehen, dass dies inakzeptabel ist, denke ich, dass man hier eine Gesetzeslücke schliessen sollte. Man sollte strafrechtlich Gesetze schaffen, die die Verneinung von Völkermord und die Verherrlichung von Straftätern unter Strafe stellt.»