Bei der Regierung in Argentinien ist Feuer im Dach. Vize-Präsidentin Cristina Kirchner teilt gegen Staatschef Alberto Fernández aus – sie gibt ihm die Schuld an der Niederlage bei den Vorwahlen vor zwei Wochen.
Er hat daraufhin sieben Ministerposten neu besetzt. Fernández kündigte die Neubesetzung mehrerer Kabinettsposten vor wenigen Tagen an, nachdem ihn Kirchner mit einem offenen Brief massiv unter Druck gesetzt und ihm eine verfehlte Wirtschaftspolitik vorgeworfen hatte.
SRF-Korrespondent David Karasek beobachtet die Vorgänge in Buenos Aires. Die peronistische Regierungskoalition sei fraglos tief gespalten. «Und zwar so sehr, dass eine konstruktive Regierungsarbeit schwer möglich scheint.»
Fernández und Kirchner stehen gemeinsam an der Spitze einer Mitte-Links-Regierung; angesichts der schlechten Vorwahlergebnisse müssen die Regierungsparteien bei der Parlamentswahl am 14. November eine Schlappe und den Verlust der Mehrheit im Senat befürchten.
Dunkle Wolken am Horizont
Die Vorwahlen vor zwei Wochen seien denn auch ein Stimmungstest gewesen, sagt Karasek. «Dieser ging für die Regierung gründlich in die Hosen.» Die Opposition holte rund zehn Prozent mehr Stimmen als die Peronisten – und diese verloren wichtige Provinzen im Land.
Argentinien befindet sich in der Rezession; die wirtschaftliche Dauermisere wurde durch die Corona-Pandemie verschärft. Erste letzte Woche demonstrierten Zehntausende in Buenos Aires gegen die grassierende Armut, Inflation und Arbeitslosigkeit.
Zu denken geben dürfte den Peronisten, dass sich bei den Vorwahlen erstmals Wählerinnen und Wähler aus der unteren Mittelschicht von den Kandidaten der Partei abgewandt haben. «Das sind eigentliche Stammwähler der Partei. Das war ein Alarmzeichen», erklärt Karasek.
Kirchnersche Geldverteilungspolitik
Die Linksperonistin Kirchner versucht nun händeringend, eine Schlappe bei den Parlamentswahlen zu verhindern. «Sie will die verlorenen Wählerinnen und Wähler zurückgewinnen, in dem sie Geld verteilen lässt.»
In ihrem offenen Brief forderte Kirchner denn auch mehr Ausgaben im sozialen Bereich und kritisierte den Sparkurs von Präsident Fernández. Mit Erfolg: Am Donnerstag gab er Steuererleichterungen für über eine Million Arbeitnehmende bekannt. Zudem wird der Mindestlohn um mehr als 50 statt 35 Prozent angehoben. «Diese Geldverteilungspolitik ist ganz im Sinne von Kirchner – und sie läuft jetzt», sagt Karasek.
Nach offiziellen Angaben leben 42 Prozent der 45 Millionen Argentinierinnen und Argentinier derzeit in Armut. Das Land verzeichnet eine der weltweit höchsten Inflationsraten und steht unter anderem beim Internationalen Währungsfonds (IWF) mit Milliardensummen in der Kreide.