US-Präsident Joe Biden hat zum Wochenbeginn auf dem Weg zum Nato-Gipfel im litauischen Vilnius einen Zwischenstopp in London eingelegt. Der Kurzbesuch erfolgt nur einen Monat nach dem Empfang des britischen Premiers Rishi Sunak in Washington. Biden wurde nach dem Abstecher in die 10 Downing Street auch von König Charles III. mit militärischen Ehren auf Schloss Windsor begrüsst.
Mit dem Besuch will der US-Präsident Biden vordergründig auch noch eine Unterlassung ausbügeln. So war er der Krönung von King Charles III. im Mai ferngeblieben und hatte Ehefrau und Grosskind in die Westminster Abbey abgesandt. Dies hatte die britische Boulevardpresse genau registriert. Nun hat er am Nachmittag dem König die Aufwartung gemacht. Offiziell wollen sie über Klimaschutz reden.
Zeichen des Respekts nach Ära Johnson
Biden will aber auch ein politisches Zeichen setzen und zeigen, wie geeint man in Zeiten des Krieges ist. Fernab von romantischen Worthülsen wie «Special Relationship» wird das fünfte Treffen mit Sunak innerhalb von fünf Monaten auch als Zeichen des Respekts gedeutet.
London wird nach den turbulenten Zeiten unter Boris Johnson und Liz Truss nicht mehr nur als politische «Muppet Show» wahrgenommen. Premier Sunak werde vom Weissen Haus offensichtlich als seriöser und verlässlicher Partner wahrgenommen, ist heute in vielen Kommentaren zu lesen.
Differenzen bei der Streumunition
Für Verstimmungen sorgte kürzlich die Entscheidung der USA, Streumunition an die Ukraine zu liefern. Grossbritannien gehört zu den 120 Staaten, die das Abkommen zum Verbot der umstrittenen Waffe unterzeichnet haben. Im heutigen Briefing machte Downing Street klar, dass man das thematisieren will.
Auch die verweigerte US-Unterstützung der Kandidatur des britischen Verteidigungsministers Ben Wallace für die Nachfolge von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg soll in London für Ärger gesorgt haben. Zugleich gibt es unterschiedliche Ansichten darüber, ob die Ukraine Nato-Mitglied werden soll. London befürwortet das intensiv, während US-Präsident Biden die Zeit noch nicht für reif hält.
Kratzer in der Freundschaft
Wie eng die Freundschaft gerade ist, ist in London immer ein Thema. Konservative Kreise sehen im Demokraten Biden generell eher einen Gegner des Königreichs, dem die Heimat seiner Urväter Irland wichtiger sein könnte. So verbrachte er im März anlässlich des 25. Jahrestags des Karfreitagsabkommens die meiste Zeit in Irland, während für Premier Sunak in Nordirland nur ein kurzes Kaffeetreffen in einer Belfaster Hotelbar blieb. Das missfiel vielen Britinnen und Briten.
Innenpolitisch dürfte für Sunak der grosse Auftritt an der Seite des US-Präsidenten wichtig sein, hat er doch zermürbende Tage hinter sich: Seine Wahlversprechen haben sich bisher nicht materialisiert – im Gegenteil: Die Ausschaffung von Migranten nach Ruanda stoppte ein Gericht. Die Hypothekarzinsen steigen, die Wartezeiten im Gesundheitsdienst ebenso. Im Sinken sind einzig die Umfragewerte der Regierungspartei. Der Besuch von Biden kann das nicht justieren, aber es gibt einen Tag lang schöne Bilder und ein bisschen Ablenkung.