Als Rishi Sunak vor sechs Wochen im strömenden Regen überraschend Neuwahlen ankündigte, befürchteten viele Tories eine Niederlage. Seit heute wissen wir, dass diese Befürchtung zu optimistisch war. Die Konservativen haben in dieser Nacht nicht einfach verloren, sondern ihre schlimmste Niederlage seit Jahrzehnten erlitten. Die Partei, die vor fünf Jahren noch triumphal eine Parlamentsmehrheit erobert hatte, wurde heute von den britischen Wählerinnen und Wählern regelrecht abgestraft und dezimiert.
Schadensbilanz ausführlich dokumentiert
Das Desaster kommt nicht aus heiterem Himmel. Die Wahlkampagne von Premierminister stand von Beginn an unter einem unglücklichen Stern. Bei seinen Auftritten musste sich Sunak meistens erst einmal entschuldigen: Für seine Absenz am D-Day, den Glücksspiel-Skandal in Downing Street, wo Mitarbeiter von ihm illegale Wetten abgeschlossen haben sollen, aber ebenso für das Versagen der Partei in den vergangenen Jahren.
Die Schadensbilanz der Tories ist ausführlich dokumentiert. In Büchern, Untersuchungsberichten und selbst Fernsehdramen: Die Pandemie, Partygate, Johnsons Lügen im Parlament und sein unrühmlicher Abgang. Es folgten die 47 Tage Chaos unter Liz Truss. Danach kam Rishi Sunak, der sich redlich bemühte, aber unter dem die Dinge auch nicht besser wurden.
Lange hat Starmer nicht Zeit, sich zu freuen
Sunak hat mit den Neuwahlen hoch gepokert und verloren. Die Britinnen und Briten haben gezeigt, dass sie genug haben von politischen Durchhalte-Parolen. Immer mehr Menschen haben das Gefühl, in einem Land zu leben, in dem nichts mehr zu funktionieren scheint. Der Wahlslogan von Labour «Change» hat die pessimistische Stimmung im Königreich präzise getroffen und bescherte Keir Starmer und seiner Partei einen historischen Sieg. Doch lange hat Starmer nicht Zeit, sich über diesen Erfolg zu freuen. Die Konservativen hinterlassen nach vierzehn Jahren einen Scherbenhaufen, eine leere Kasse und ein moralisches Vakuum.
Keir Starmer wird ziemlich rasch zeigen müssen, wie er beides füllen will. Die Erwartungen des Publikums sind gross und die Ressourcen knapp. Der neue Premierminister hat es zudem mit einem Publikum zu tun, dessen Vertrauen in die Politik in den vergangenen Jahren ziemlich erschüttert wurde. Starmers Wahlversprechen für einen «Change» muss im Alltag bald spürbar werden. Denn was passiert, wenn in einem Oppositionssystem Wahlversprechen nicht eingehalten werden, erleben in diesen Stunden die Konservativen. Triumphal haben sie vor fünf Jahren eine satte Mehrheit gewonnen und heute alles verloren.