Es sah nach einem guten Erntejahr aus für die Bauern in Nordirak und Syrien. Es regnete so viel wie seit Jahren nicht mehr, und die Weizen- und Gerstenfelder gediehen prächtig. Doch die Vorfreude hielt nicht lange, denn seit Anfang Mai brennen viele Felder. Es gebe fast so viele Verdächtige wie Brände, sagt SRF-Nahostkorrespondentin Susanne Brunner.
SRF News: Wer steckt hinter den Brandstiftungen?
Susanne Brunner: In einigen Fällen hat sich der IS in Syrien und Irak zu den Brandstiftungen bekannt oder dazu aufgerufen. Die syrische Regierung beschuldigt in der Provinz Idlib Terroristen, die Raketen in Dörfer und Felder schiessen. Syrische und russische Streitkräfte bombardieren dort allerdings fast ununterbrochen.
Der irakische Zivilschutz beruft sich auf genaue Zahlen: Von 240 Bränden seien zwei Drittel auf elektrische Kurzschlüsse, Funkenschlag von Maschinen und weggeworfene Zigaretten zurückzuführen. Beim Rest der Brände sei die Ursache unbekannt. Dann gibt es auch Anschuldigungen gegen Streitkräfte im Irak. Ein Kurde, der sich diesbezüglich äusserte, wurde verhaftet. Die Feuer werden auf jeden Fall auch als Waffe eingesetzt. Die Extremisten streben nach einer weiteren Destabilisierung der kriegsversehrten Region. Es geht aber auch um die Kontrolle von Gebieten.
Kann man diese Brände nicht löschen?
Angesichts der weitgehend kaputten Infrastruktur ist das eine besondere Herausforderung. Wasserleitungen sind zerstört, effiziente Löschgeräte fehlen. Auch viele Feuerwehrleute sind vor Krieg und Verfolgung geflüchtet. Die Bevölkerung beider Länder in den hauptsächlich betroffenen Kurdengebieten fragt sich, warum die Zentralregierungen in Bagdad und Damaskus nicht helfen und ob das gar Absicht ist, weil sie die Kontrolle zumindest zum Teil wieder übernehmen wollen.
Zugleich gibt es einen Hilferuf an die USA als Schutzmacht der Kurden in diesem Gebiet. Doch die USA machen geltend, dass die Streitkräfte keine Feuerwehr seien. Ein Experte warnte zugleich davor, viel Wasser für Löscharbeiten abzupumpen. Damit würden die an sich schon knappen Wasserreserven gefährdet.
Wie viele Menschen sind betroffen?
Mit dem Getreide, das in den letzten Wochen abgebrannt ist, hätte man eine Stadt so gross wie Bern ein Jahr lang mit Brot versorgen können. Die UNO-Ernährungsorganisation FAO schätzt, dass allein in Syrien schon jetzt 6.5 Millionen Menschen nicht wissen, woher die nächste Mahlzeit kommt. Zweieinhalb Millionen weiteren Menschen geht es auch bald so. Wenn die Brände weitere Anbauflächen zerstören, wird die Not noch grösser. Hilfswerke allein können nicht so viele Menschen ernähren.
Droht bald eine Hungersnot?
Die Befürchtung ist gross, dass sich die Menschen von ihren Regierungen im Stich gelassen fühlen, wenn die Not noch grösser wird. Dann wären sie wieder empfänglicher für die Versprechungen von Extremisten wie jene vom IS. Die Folge wären neue Unruhen und damit noch mehr Hunger. Die Brände zeigen einmal mehr, dass die Region nach Jahrzehnten des Krieges noch sehr instabil ist. Es ist also ganz einfach, kleinste Fortschritte zu zerstören.
Das Gespräch führte Simon Leu.