SRF: Carla del Ponte, sie waren lange selbst Chefanklägerin am internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien. Was halten Sie vom Urteil gegen Radko Mladic?
Carla de Ponte: Ich bin natürlich sehr froh über dieses Urteil, denn Mladic ist der höchste noch lebende Verantwortliche für die Verbrechen, die begangen worden sind während de s Krieges. Slobodan Milosevic ist ja gestorben. Es ist gut, dass Mladic verurteilt worden ist und lebenslänglich im Gefängnis bleiben muss.
Die Anklageschrift wurde aus Zeitgründen gekürzt. So beschränkte man sich in der Frage der ethnischen Säuberungen neben Srebrenica auf 15 bosnische Dörfer. Diese Angriffe wurden somit nun nicht als Völkermord taxiert. Was sagen sie dazu?
Ich verstehe das. Ich erinnere mich, dass dafür die Beweise schon zu meiner Zeit nicht so fest waren wie bei Srebenica. Wahrscheinlich haben sie während des Prozesses auch noch einige an Beweismitteln verloren. Mladic hat trotzdem lebenslänglich bekommen, auch für diese Straftaten. Aber ich verstehe auch die Opfer, die nicht zufrieden sind damit. Aber wenn jemand lebenslänglich verurteilt worden ist, deckt dies eigentlich alle Straftaten ab, die begangen worden sind.
Wären sie heute nicht gerne selbst im Gerichtssaal gesessen?
Nicht besonders, nein. Es ist schon so viele Jahre her, dass ich jetzt nicht mehr so nahe bin an diesem Gerichtshof, obwohl ich immer noch alles verfolge und immer noch Kontakt habe mit Einigen. Ich bin froh, denn am Ende des Jahres wird das Tribunal ja auch schliessen.
Das Gespräch führte Brigitte Latella