- In Taiwan können schwule und lesbische Paare vielleicht schon bald heiraten. Das Wahlversprechen der Regierung wird derzeit im Parlament diskutiert.
- Taiwan wäre das erste Land in Asien, das die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare öffnen würde. Allerdings gibt es auch lautstarken Protest gegen das neue Gesetz.
- Dagegen sind vor allem christliche Gruppierungen. Weil sie gut organisiert und vernetzt seien, hätten sie Einfluss, meint unser Korrespondent.
SRF News: In den letzten Wochen demonstrierten Tausende auf der Strasse gegen die geplante Öffnung der Ehe. Wer steckt dahinter?
Martin Aldrovandi: Es sind vor allem christliche Gruppierungen, darunter viele Freikirchen, die schon seit Jahren gegen die Gleichstellung von Homosexuellen protestieren. Die Christen sind in Taiwan eigentlich eine Minderheit, sie machen weniger als fünf Prozent aus, aber sie sind eben relativ einflussreich und gut vernetzt. Nun war die Eheöffnung aber ein Wahlversprechen der Präsidentin und sie hat auch die Mehrheit im Parlament. Die Chancen für die Homoehe stehen also trotz der Proteste gut.
Wie ist es mit den anderen Religionen in Taiwan. Haben die mit der Homoehe kein Problem?
Die meisten Taiwanesen sind Buddhisten und Taoisten. Die sind viel dezentraler organisiert als die Christen und die Homosexualität scheint bei ihnen kein grosses Thema zu sein. Aber es gab bei den Demonstrationen auch ein paar Vertreter von taoistischen und buddhistischen Gruppen. Die sollen aber von den christlichen Gruppierungen organisiert worden sein, quasi als «Feigenblatt».
Sind den schwule und lesbische Paare in der taiwanesischen Gesellschaft generell akzeptiert?
Sicher zunehmend. In Umfragen spricht sich inzwischen eine Mehrheit für die Öffnung der Ehe aus. Wenn man in einer Grossstadt unterwegs ist, dann sieht man auch viele gleichgeschlechtliche Paare. Die geben sich zwar eher dezent und zurückhaltend, aber sie sind präsent. Ausserdem gibt es viele Film-, TV- und Popstars, die entweder selbst homosexuell oder sich öffentlich für die Homoehe aussprechen. Da hat sich in den letzten zehn, zwanzig Jahren viel getan. Gleichzeitig gibt es noch ein stark verankertes traditionelles Rollenbild, wo es für die Eltern sehr wichtig ist, dass die Kinder heiraten und wiederum Kinder bekommen. Deswegen ist es vielleicht so: Viele Taiwaner sind nicht gegen die Homoehe, aber sie wollen nicht, dass die eigenen Kinder gleichgeschlechtlich heiraten. Da gibt es einen gewissen Widerspruch.
Viele sind pro Homoehe, wollen aber nicht, dass die eigenen Kinder gleichgeschlechtlich heiraten.
Taiwan wäre das erste Land im asiatischen Raum, das den Ehebegriff öffnet. Könnte das Signalwirkung haben?
Langfristig ist das möglich, aber man muss sehen, dass Taiwan bei der Homoehe und anderen progressiven Themen weit voraus ist. Taiwan ist ein Rechtsstaat: eine Demokratie, wo die unterschiedlichsten Themen und Meinungen Platz haben und offen diskutiert werden. In China etwa ist man nicht annähernd so weit. Es gibt zwar Fortschritte: Homosexuelle werden inzwischen nicht mehr kriminalisiert und gelten nicht mehr als geisteskrank. Aber bis die Ehe in China oder anderen Ländern geöffnet wird, wird es noch lange dauern.
Taiwan ist anderen asiatischen Ländern bei gewissen Themen weit voraus.
Hingegen ist die Homoehe für Taiwan ein dankbares Thema, weil sie sich damit von China abgrenzen kann. Das Land wird ja nur von ganz wenigen Nationen überhaupt anerkannt. Aber bei den Menschenrechten kann Taiwan nun sagen, dass sie sehr progressiv sind und eben vielleicht das erste Land in der Region, dass die Ehe öffnet. Das ist in der öffentlichen Diskussion durchaus ein Thema und etwas, worauf viele Taiwaner stolz sind.
Nun wird die Homoehe im Parlament diskutiert, das Gesetz ist allerdings noch nicht durch. Wie geht es weiter?
Mit einem Entscheid wird in den nächsten Wochen gerechnet. Entweder kommt es dann zur Eheöffnung oder es gibt eine Art Partnerschaftsgesetz, eingetragene Partnerschaft wie sie auch in der Schweiz existiert. Auch die Demonstrationen werden sicher noch weiter gehen.
Das Gespräch führte Susanne Schmugge.