Stundenlang wurde verhandelt. Am Schluss lag ein Waffenstillstandsabkommen vor. In Libyen soll endlich Frieden herrschen. Allerdings hat bisher nur die international anerkannte Übergangsregierung das Dokument unterschrieben. Die andere Seite, der Kriegsherr Chalifa Haftar, ziert sich noch.
Der General sehe das Abkommen positiv, aber er brauche noch mehr Zeit, um es zu analysieren, erklärte Russlands Aussenminister Sergei Lawrow nach den Gesprächen, die zusammen mit seinem türkischen Amtskollegen begleitet hatte.
Ein Prestigeerfolg bereits jetzt
Noch also ist nicht sicher, ab wann und ob die Waffen in Libyen wirklich schweigen werden. Was aber feststeht: Für den Kreml sind die Gespräche jetzt schon ein grosser Prestigeerfolg. Russland hat in den vergangenen Jahren seinen Einfluss in der arabischen Welt sukzessive ausgebaut.
Im Ausland besonders wahrgenommen wurde der russische Kriegseinsatz für den syrischen Machthaber Assad. Moskaus Kampfjets haben den Bürgerkrieg in Syrien massgebend entschieden. Aber hinter den Kulissen war der Kreml auch in vielen anderen Ländern aktiv, vor allem diplomatisch. Russische Diplomaten knüpften enge Verbindungen nach Ägypten oder Saudi-Arabien. Auch in Libyen tauchten plötzlich Moskaus Emissäre auf.
General Haftar und die Russen
Offiziell unterstützt der Kreml die international anerkannte Übergangsregierung in Tripolis. Aber es ist kein Geheimnis, dass russische Militärs auch ihre alten Verbindungen zu General Haftar wieder aufgewärmt haben. Dieser kennt Russland gut. Haftar hat in der Sowjetunion studiert und soll ganz passabel Russisch sprechen. Das habe die Kommunikation mit ihm erleichtert, heisst es im Moskau.
Wie die russische Unterstützung für Haftar genau aussieht, macht der Kreml nicht öffentlich. Gemäss Medienberichten sind russische Söldner der kremlnahen Truppe Wagner auf der Seite des Generals in Einsatz. Haftar ist zudem vom Kreml politisch aufgewertet worden. Er war in den letzten Jahren mehrfach für Gespräch in Moskau.
Moskau redet mit allen
Die Russen wenden in Libyen eine Strategie an, die auch anderswo in Nahen Osten funktioniert hat. Erstens: Moskau redet mit allen, auch mit verfeindeten Parteien. Während der Westen gewisse Akteure meidet, etwa aus moralischen Bedenken, kennen die Russen keine Tabus.
Zweitens: Russland Diplomaten wärmen alte Kontakte aus der Sowjetunion auf und knüpfen ein enges Beziehungsnetz in der Region. Dritten sorgen russische Militärs und kremlnahe Söldnertruppen für Feuerkraft, wo sie gebraucht wird.
Den Erfolg streicht Präsident Putin ein. Wenn die libyschen Kriegsparteien über einen Waffenstillstand verhandeln wollen, reisen sie nicht nach Berlin, Paris oder Washington. Sie fahren nach Moskau.