Cornwall im Süden Englands ist weltberühmt für seine wilde Küstenlandschaft. Doch der wahre Reichtum dieser Region liegt im felsigen Untergrund. In diesen gelangt man durch enge, feuchte Schächte.
«Dieser Stollen heisst New Mexiko. Wahrscheinlich, weil es auf dem Weg in die Tiefe immer wärmer wird», erzählt Martin Orchard, während wir uns im Schein seiner Stirnlampe in die Tiefe tasten. Der Stollen wurde bereits im 18. Jahrhundert herausgebrochen. «Mit Hilfe von Schwarzpulver und viel Handarbeit mit dem Pickel.»
Der 66-jährige Mineur führt uns durch die alten Zinn-Minen von Geevor. Hunderte von Kilometern Stollen und Schächten. Einige bis 800 Meter tief.
Martin arbeitete 25 Jahre als Sprengmeister in der Zinn-Mine. Doch dann kam wegen der Konkurrenz aus China und Indien das Ende. 16.4.1990 steht mit roter Farbe an einem Metallschrank in der baufälligen Maschinenhalle.
Seit jenem Tag steht hier alles still. Hier könnte die Geschichte des Niedergangs der alten Minen in Cornwall zu Ende sein. Dies wenn nicht vor über hundert Jahren ein Chemiker in London festgestellt hätte, dass das Wasser im Untergrund von Cornwall ungewöhnlich viel Lithium enthält.
«Wir wissen das also schon ziemlich lange, nur hat es damals niemanden interessiert», erzählt Professor Frances Walle, die unweit an der Universität in Falmouth angewandte Mineralogie unterrichtet. «Das hat sich komplett geändert, denn jetzt brauchen wir das Lithium und zwar dringend, und erst noch in grossen Mengen für den Bau von Batterien für unsere Elektrofahrzeuge.»
Britische Regierung hat Potenzial erkannt
Lithium kommt an vielen Orten auf der Welt vor, aber in Cornwall könnte es ohne die bekannten Kollateralschäden des Bergbaus aus dem Boden geholt werden: «Der felsige Untergrund von Cornwall ist ein heisses Gestein und liefert bereits heute geothermische Energie», erklärt Walle.
«Wir haben heute zwei Kraftwerke, die heisses Wasser aus fünf Kilometer Tiefe aus dem Erdinnern fördern. Dieses liefert nicht nur Wärme, um Strom zu erzeugen. Nein, das Wasser löst auf seinem Weg ebenso Lithium-Salze aus dem Granitsockel. Man kann das Metall also aus dem Wasser herausfiltrieren. Eine sehr effiziente und umweltschonende Methode der Lithiumgewinnung.»
Alles andere als klassischer Bergbau, bei dem ganze Landschaften umgepflügt und teilweise vergiftet werden. Zudem müsse das Lithium für die Batterie-Produktion nicht um die halbe Welt transportiert werden.
Die britische Regierung hat das Potential erkannt und unterstützt die Probebohrungen der Minenfirma «Cornwall Lithium». Bis 2030 sollen im Vereinigten Königreich nur noch Elektroautos verkauft werden dürfen. Zum Bau einer Autobatterie werden 10-60 Kilo Lithium benötigt.
Jahrtausendealte Tradition in Cornwall
Der Bedarf wird also rasant zunehmen. Rund einen Fünftel des britischen Bedarfs könnten in drei bis vier Jahren in Cornwall gefördert werden, meint der CEO von «Cornwall Lithium», Jeremy Wrathall.
Sprengmeister Martin würde sich freuen, wenn der Bergbau in Cornwall eine Wiederauferstehung erleben würde. Doch wirklich überraschen kann es ihn nicht. Die Minen in Cornwall seien im Verlauf der Geschichte immer wieder neu genutzt worden.
Bronze, Gold, Zinn, Lithium. Tatsächlich versorgt der felsige Untergrund der wilden Landschaft von Cornwall die Menschheit seit 4000 Jahren mit Metallen, die unsere Zivilisation schmücken, zieren, zusammenhalten und vielleicht bald auch bewegen.