Es war vor ziemlich genau einem Jahr, als der damalige Bundespräsident Guy Parmelin das Ende des Rahmenabkommens eingeläutet hat. Er machte der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen deutlich, dass es kein Rahmenabkommen geben wird, wenn sich die Kommission in den umstrittenen Punkten nicht deutlich bewegt.
Einen Monat später war es vorbei mit dem Rahmenabkommen, von der Leyen verärgert und der Wind, der seit diesem Tag aus Brüssel in Richtung Bern weht, könnte kaum kühler sein.
Viele Fragen bleiben ungeklärt
Der Bundesrat arbeitete seit dem letzten Herbst an einem Vorschlag, wie man die wirtschaftliche äusserst wichtige Beziehung wieder kitten könnte. Mit diesem Vorschlag, man spricht auch von einem Paketansatz à la «Bilaterale 3», reiste Staatssekretärin Livia Leu Ende März nach Brüssel für ein erstes Sondierungsgespräch.
Die EU-Kommission äusserte sich in der Öffentlichkeit kaum dazu, sagte aber zumindest noch nicht Nein zu den Ideen aus Bern. Ein erstes Aufatmen.
Nach der zweiten Sondierungsrunde sieht die Situation anders aus. Es ist zwar nach wie vor keine Absage an Bern, aber die Botschaft der Kommission ist deutlich: Die EU könne zum jetzigen Zeitpunkt nicht beurteilen, «ob die Vorschläge der Schweizer Regierung eine akzeptable Verhandlungsgrundlage darstellen.»
Viele Fragen seien nach wie vor offen. Die Kommission erwähnte noch einmal, was für sie in ein Abkommen gehört: Dynamische Rechtsübernahme, eine Rolle für den Europäischen Gerichtshof oder eine Lösung, die man für alle betroffenen Abkommen anwenden könne.
Sprich: Die EU-Kommission möchte am liebsten das bereits verhandelte Rahmenabkommen wieder auf den Tisch bringen. Zudem fordert die Kommission einen regelmässigen finanziellen Beitrag aus der Schweiz. Von einem sektoriellen Ansatz, bei dem man jedes einzelne Abkommen separat anschauen würde, scheint Brüssel weit entfernt zu sein. Die Vorschläge des Bundesrates finden offenbar in weiten Teilen keinen Anklang bei der EU-Kommission.
Differenzen bleiben gross
Die Schweizer Delegation unter der Leitung von Staatssekretärin Leu wird wohl nicht ganz überrascht sein, dass die EU-Kommission nach wie vor in zentralen Punkten nicht von ihrer Position abrücken möchte.
So schreibt Leu nach dem Treffen via Twitter, dass wichtige Differenzen noch diskutiert werden müssen. Um welche Differenzen es sich handelt, erwähnt die Staatssekretärin nicht.
Es gibt auch weder von EU- noch von Schweizer-Seite eine Bemerkung zum wohl schwierigsten Abkommen; zur Personenfreizügigkeit. Wie man in Brüssel hört, sei die EU-Kommission bereit, bei den umstrittenen Punkten dieses bilateralen Abkommens einen Schritt auf die Schweiz zuzumachen und eine Sonderlösung zu finden. Gleichzeitig verlange man von der Schweiz, ernsthaft an Verhandlungen interessiert zu sein und nicht zuerst die eidgenössischen Wahlen in gut eineinhalb Jahren abzuwarten.
Damit es schneller vorwärtsgehen kann, und man mit Verhandlungen starten könnte, braucht es aber beide Seiten. Dass der Bundesrat zu einem aktualisierten Rahmenabkommen nicht zustimmen wird, scheint klar zu sein. Der Vizepräsident der EU-Kommission, Maros Sefcovic, forderte von Bundesrat Ignazio Cassis im vergangenen Herbst neue Vorschläge. Diese hat der Bundesrat geliefert.
Sollte die EU-Kommission nicht bereit sein, wenigstens kleine Schritte auf die Schweiz zuzumachen, wird es wohl noch einige Sondierungsrunden in Brüssel brauchen. Oder ein Spitzentreffen zwischen Sefcovic und Bundespräsident Cassis.