In Kürze wird der Papst bekannt geben, ob im Amazonasgebiet neu auch verheiratete Männer Priester werden dürfen. Aus der Tradition fallen würde der Papst damit nicht, wie Kirchenhistoriker Hubert Wolf sagt. Allerdings könnte der Entscheid Bedürfnisse in anderen Erdteilen wecken, meint er.
SRF News: Wie wichtig ist dieser Entscheid für die katholische Kirche?
Hubert Wolf: Ich halte ihn aus seelsorgerischen Gründen für Amazonien für sehr wichtig, denn die Bischöfe haben den Papst gebeten, dort verheiratete Männer zum Priestertum zuzulassen. Die Situation der Seelsorger dort ist so katastrophal, dass nicht einmal in jeder Pfarrei jedes Jahr eine Messe gehalten werden kann.
Wäre es auch ein Signal über das Amazonasgebiet hinaus?
Für mich wäre es das. Wir haben schon verheiratete Priester in der katholischen Kirche. Das heisst, der Papst täte ja nichts Neues.
Erst 1917 wird ein Zölibatgesetz eingeführt.
In den vereinigten katholischen Ostkirchen gibt es schon lange verheiratete Priester und bei den konvertierten evangelischen und anglikanischen Pfarrern auch. Sie werden vom Zölibat dispensiert.
Sie sagen, dass es das schon immer gab. Doch der Zölibat wurde in den letzten Jahrzehnten in der römisch-katholischen Kirche streng gepflegt. Können Sie uns das erläutern?
Es gibt im Neuen Testament ganz selbstverständlich verheiratete Männer, die Gemeinden leiten. In den Pastoralbriefen wird sogar verlangt, dass ein Bischof und ein Pfarrer mit einer Frau verheiratet sein muss. Denn wie sollte er der Gemeinde vorstehen, wenn er seiner Familie nicht vorstehen kann?
Erst im Laufe der Geschichte kommt dazu, dass die zölibatäre Form mit dem Amt verbunden wird. Zunächst nur so, dass die verheirateten Pfarrer an dem Tag, an dem Messe gefeiert wird, keinen sexuellen Kontakt mit ihren Frauen haben. Ein nächster Schritt ist, dass sie zwar verheiratet bleiben sollen, aber mit ihren Frauen nicht mehr sexuell zusammenkommen sollen. Der nächste Schritt ist dann das generelle Zölibat. Erst 1917 wird ein Zölibatgesetz eingeführt, in dem es heisst, dass die Ehe ein Weihehindernis sei und die Weihe sei ein Ehehindernis.
Wie erklären Sie sich, dass es so weit gekommen ist?
Bei der Begründung des Zölibats geht es ja vor allem um das Argument der kultischen Reinheit. Wer das Messopfer darbringt, der muss rein sein. Er wird unrein, wenn er sexuellen Kontakt zu einer Frau hat. Mit dieser Begründung hat Rom selber in den 1970er-Jahren aufgeräumt und gesagt, das sei keine Begründung mehr für den Zölibat. Daraufhin hat man eine Spiritualisierung vorgenommen. Der Priester wird in besonderer Weise sozusagen zu einem Heiligen gemacht.
Eine von der deutschen Bischofskonferenz in Auftrag gegebene Studie sagt, dass der Zölibat nicht die Ursache des Missbrauchs sei, aber ein erheblicher Risikofaktor.
Das ist ein Grund dafür, warum es zu diesem klerikalen Männerbund gekommen ist, der an einer ganzen Reihe von Problemen schuld ist, die wir im Moment haben.
Sie sprechen die Pädophilie an?
Eine von der deutschen Bischofskonferenz in Auftrag gegebene Studie sagt, dass der Zölibat nicht die Ursache des Missbrauchs sei, aber ein erheblicher Risikofaktor, weil er wahrscheinlich Menschen mit bestimmten Prädispositionsstörungen in dieser Hinsicht anzieht.
Sollte die katholische Kirche verheiratete Männer im Amazonasgebiet als Priester zulassen, wäre das für Sie ein Zeichen, dass sich die katholische Kirche bewegt?
Es wäre wie gesagt kein Bruch, es wäre ein Signal im Hinblick auf das Pontifikat von Papst Franziskus. Und es wäre vor allem eine Perspektive, die sich für die Situation in der Schweiz und in Deutschland öffnet.
Das Gespräch führte Christoph Kellenberger.
SRF 4 News, 12.02.20, 07:46 Uhr;