«Es war klar, dass die iranische Republik Elnaz Rekabi das Klettern ohne Kopftuch nicht durchgehen lässt», sagt die deutsch-iranische Journalistin Natalie Amiri. Eine Zeitlang galt die Sportlerin nach der Aktion als vermisst, aber sie tauchte am nächsten Tag wieder auf und gab dem iranischen Fernsehen am Flughafen Teheran ein Interview. Rekabi sagte, es sei ein «unabsichtliches Versehen» gewesen, dass sie das Kopftuch im Final nicht getragen habe. Dies schrieb sie auch in einem Tweet.
Erzwungene Stellungnahme
«Dass sowohl ihr Tweet als auch das Statement der Sportlerin am Flughafen erzwungen wurden, davon geht man aus», sagt Amiri. Solche erzwungenen Statements hätten in Iran Methode. Zudem würden iranische Medien darüber berichten, dass Rekabis Bruder festgenommen worden sei.
Die junge Frau habe gar keine Möglichkeit gehabt, sich dem Iran zu entziehen und in Seoul unterzutauchen oder um Asyl zu bitten, sagt Amiri, denn das Nationalteam werde im Ausland die ganze Zeit überwacht.
So gefährlich war Kritik für Regime noch nie
«Vor allem, wenn es um ein Überleben des Systems geht, zählt ein Menschenleben für die Islamische Republik nichts», so Amiri. Die Menschen aller Gesellschaftsschichten seien bei diesen Protesten generationenübergreifend auf der Strasse. «Die Menschen fordern das Ende des Regimes», sagt Amiri. So heftig sei der Druck auf die Regierung noch nie gewesen.
Wenn die Proteste landesweit weitergehen würden, werde die Revolutionsgarde komplett das Sagen übernehmen und dann «kann auch scharf geschossen werden», so die Journalistin.
Schon 23 Minderjährige getötet
In den letzten Wochen haben auch Schülerinnen protestiert und ihre Schulleiter aus dem Schulhof vertrieben. Nun berichtet die UNO von Razzien an iranischen Schulen. «Die Revolutionsgarden sind in die Schulen gegangen und haben die Mädchen verprügelt», sagt Amiri. Eines Mädchen ist an den Folgen verstorben. Dies habe den Zorn der Menschen erst recht entfesselt. Mittlerweile sind schon 23 Minderjährige bei den Protesten ums Leben gekommen.
Auch Iranerinnen und Iraner, die in der Schweiz leben, haben Angst, dass der Arm der Revolutionsgarde bis ins Ausland reiche. Das sei durchaus berechtigt, so Amiri. Zurzeit habe die Revolutionsgarde genug damit zu tun, die Bevölkerung im eigenen Land unter Kontrolle zu halten. Im Ausland hätten deshalb nur die lautesten Stimmen etwas zu befürchten.