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«Air Defender»: Nato-Manöver soll Schwächen aufzeigen
Aus Echo der Zeit vom 12.06.2023. Bild: KEYSTONE/DPA/Julian Stratenschulte
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Luftoperationsübung der Nato Ohne die USA geht’s nicht

250 Militärflugzeuge, 10'000 Soldatinnen und Soldaten aus 25 Ländern: Mit der Übung «Air Defender 23» führt die westliche Militärallianz die grössten Luftmanöver in ihrer Geschichte durch. Es geht nicht zuletzt darum, eine gravierende Schwäche des Bündnisses zu beheben.

Aufgrund der Vorberichterstattung in manchen Medien gewinnt man den Eindruck, in Europa werde zwei Wochen lang die Sonne vor lauter Kampfjets kaum mehr zu sehen sein. Das ist masslos übertrieben. Tatsache aber ist: Es wird zu beträchtlichen Behinderungen im zivilen Luftverkehr kommen. Auch hierzulande betrifft es viele Flüge. Die europäische Luftkontrollbehörde rechnet mit rund tausend Stunden Verspätung – pro Tag.

Keine Antwort, aber Signal an Moskau

«Air Defender 23» ist keine Antwort auf die russische Invasion in die Ukraine im Februar vorigen Jahres. Die Übung wird seit 2018 geplant. Aber ein Signal an die russische Führung ist sie schon.

Der Westen will und muss seine Fähigkeit zur Abschreckung beweisen. Seit der russischen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim 2014 erlebt die ursprüngliche Aufgabe der Nato, einen russischen Angriff auf das Bündnisgebiet abzuwehren, eine Wiedergeburt.

Weil das viele nachvollziehen können, gibt es nur wenig Proteste gegen diese Manöver. Wenn, dann richten sie sich fast ausschliesslich gegen die Störung des zivilen Flugverkehrs.

Schwäche bei der Verschiebung von Fliegertruppen

Angelegt ist die Grossübung rein defensiv. Es werden also keine Angriffe geprobt, etwa auf die russische Enklave Kaliningrad – obschon der Kreml dort immer mehr Raketen stationiert, mit denen sich auch taktische Nuklearwaffen gegen Nato-Mitglieder abfeuern liessen.

Hauptsächlich geht es bei «Air Defender 23» um Abwehrübungen in Estland und Rumänien und um die rasche Verschiebung von Fliegertruppen. Denn da hat die Militärallianz bis heute gleich eine doppelte Schwäche.

Sie ist schwerfällig und braucht zu viel Zeit, um Kampftruppen innerhalb des Bündnisgebiets zu verschieben, sowohl von West- nach Osteuropa als auch und erst recht von Nordamerika nach Europa. Es gibt zwar Fortschritte – aber am Ziel ist man nicht. Dies bereitet vor allem den östlichen Nato-Ländern Sorgen. Dort sind nach wie vor relativ wenige Nato-Kontingente dauerhaft stationiert – möglicherweise nicht genug, um Russland die Stirn zu bieten.

USA bleiben (noch) unverzichtbar

Das zweite Problem, das die Übung aufzeigt, wenngleich nicht löst: Der «europäische Pfeiler der Nato» ist wohl weiterhin zu schwach, um sich allein zu verteidigen. Das US-Engagement bleibt unverzichtbar, trotz der jüngsten Aufstockung der Wehretats in zahlreichen europäischen Ländern. Und das noch für viele Jahre. Weshalb der Dank an die USA zum Standardrepertoire von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg gehört.

Im Ernstfall müssen die USA mit Waffen und Truppen in grossem Umfang zu Hilfe eilen. Genauso, wie sie das derzeit zugunsten der Ukraine tun. Ohne den massiven Beitrag der USA nähme sich die westliche Militärhilfe dort nämlich nach wie vor kläglich aus.

Kriegsentscheidend wäre, dass US-Streitkräfte bei Bedarf unverzüglich eintreffen und in die Schlacht eingreifen könnten. Heisst: Europa bräuchte im Notfall nicht nur das militärische Vermögen, sondern auch den politischen Willen in Washington zur Unterstützung. Solange jemand wie Joe Biden US-Präsident ist, steht das nicht in Zweifel. Zumindest bei zwei von Bidens denkbaren Nachfolgern – Donald Trump und Ron DeSantis – sähe das aber anders aus. Ein beunruhigender Gedanke.

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

SRF 4 News, 12.06.2023, 10:00 Uhr

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