Anfang Dezember findet in Kattowitz im Süden Polens der nächste grosse Klimagipfel statt. Gut möglich, dass der eine oder andere Politiker dann mit Schutzmaske auf die Strasse geht. Denn sobald wieder geheizt wird, versinken Oberschlesien und seine Hauptstadt Kattowitz im Smog.
Von den 50 europäischen Städten mit der stärksten Luftverschmutzung liegen 33 in Polen, die meisten davon im Süden des Landes. Nachdem die Regierung in Warschau und die lokalen Behörden das Smogproblem lange klein geredet haben, handeln sie jetzt. Kattowitz setzt im Kampf für bessere Luft unter anderem auf Drohnen.
Aufklären statt Anprangern
Eine solche «Riechdrohne» sieht aus wie eine rasenmähergrosse Hornisse. Hebt sie ab, klingt sie auch so. Ihr Konstrukteur, der Umweltingenieur Marcin Glodniok, erklärt: «Mit unserer Drohne können wir feststellen, welcher Kamin die Luft besonders stark vermutzt.» So werde etwa gemessen, wo Formaldehyd ausgestossen wird. «Dieses Gas zeigt uns, wer Abfall oder minderwertige Kohle verbrennt. Beides ist verboten», so Glodniok.
Nach der Riechdrohne kommt also die Polizei ? Glodniok schüttelt den Lockenkopf. Das sei selten: «Wir setzen lieber auf Aufklärung und machen den Leuten klar, dass Abfall verbrennen die Luft verpestet.» Glodniok liefert den Behörden das Kartenmaterial für ihre Informationskampagnen, seine Riechdrohne soll Abfallsünder abschrecken. In krassen Fällen sind ihre Messungen die Grundlage für Bussen.
Dicke Luft aus alten Kohleöfen
Das Problem ist aber nicht nur, was in die Öfen kommt, das Problem sind die Öfen selbst, sagt Patrik Bialas im Büro der Umeltorganisation Katowice Smog Alar . Während die grossen Kohlekraftwerke rund um Kattowitz inzwischen gute Filteranlagen haben, seien die Öfen in vielen Wohnhäusern völlig veraltet.
«In Kattowitz kommen sechzig Prozent der Luftverschmutzung aus den Heizungssystemen», erklärt Bialas. Die alten Kohleöfen pusten so viel Feinstaub und giftige Gase in die Luft, dass die Weltgesundheitsorganisation sagt: Ein Jahr Kattowitzer Luft zu atmen ist so ungesund wie 1'700 Zigaretten zu rauchen.
Eigentlich müsste ich meinen Patienten im Winter fast immer verbieten, aus dem Haus zu gehen.
Für den Kardiologen Thomas Bohanek ist das nicht nur eine abstrakte Zahl, sondern eine lange Liste von Einzelschicksalen. Viele Patienten, die er in seiner nüchternen Arztpraxis am Rand von Kattowitz untersucht, leiden an der schlechten Luft: «Wir sehen immer mehr gravierende Probleme, die mit der Luftverschmutzung zusammenhängen. Asthma zum Beispiel, COPD, chronische Lungenkrankheiten, die den Patienten das Atmen erschweren. Und ich sehe im Winter mehr Herzrpobleme, Arythmien, Herzinfarkte.»
Viele Todesfälle seien letztlich eine Folge der Luftverschmutzung, sagt der Arzt: «Eigentlich müsste ich meinen Patienten im Winter fast immer verbieten, aus dem Haus zu gehen.»
Das Problem ist erkannt...
Polens Politik wollte das Smogproblem lange nicht wahrhaben. Davon zeugt der noch immer geltende Grenzwert für Smog-Alarm. Was in der Schweiz bereits als bedrohlich gilt, ist in Polen normale Winterluft. Trotz der laschen Grenzwerte findet ein Umdenken statt. Die Regierung in Warschau will in den nächsten Jahren 35 Milliarden Franken investieren in den Kampf gegen Smog.
Das Parlament hat ein Gesetz erlassen, das minderwertige Kohle verbietet. Und im Kattowitzer Rathaus ist man stolz darauf, dass man als erste grosse polnische Stadt Zuschüsse zahlt, wenn ein Hausbesitzer alte Öfen durch Gasheizungen oder durch Fernwärme ersetzt. Für Vize-Stadtpräsident Waldemar Bojarun ist klar, dass noch viel zu tun ist: «Die Luftverschmutzung ist viel zu hoch. Aber wir machen Fortschritte und ich bin optimistisch.»
...doch es gibt noch viel zu tun
Die Riechdrohne von Glodniok ist inzwischen um einen kleinen Wald von Kaminen gezirkelt, hat Schadstoffe gemessen und ist wieder gelandet.
Frage an den Umweltingenieur: Hat das Kattowitzer Programm zum Ersatz von Kohleöfen wirklich zu besserer Luft geführt? «In einigen Nachbarschaften, in denen die meisten Haushalte ihre Kohleöfen durch Gasheizungen oder Fernwärme ersetzt haben, ist die Luftqualität tatsächlich besser geworden», sagt Glodniok.
Trotzdem: Bis Kattowitzer Luft auch im Winter nicht mehr krank macht, wird es noch dauern. Die Aktivisten von Katowice Smog-Alarm haben ausgerechnet: Geht der Austausch von alten Öfen im bisherigen Tempo weiter, wird der letzte Kattowitzer Kohleofen in 37 Jahren verschrottet.