Das hatte gerade noch gefehlt: Während in Genf über einen Stopp oder zumindest eine Begrenzung der Militarisierung im All verhandelt wurde, schoss Indien vorigen Mittwoch mit einer Rakete einen Satelliten ab. Die klare Botschaft: Auch wir, die Inder, wollen – neben den USA, China und Russland – zum Kreis der Militärmächte im Universum gehören.
Das Weltall ist die neue Grenze, die grosse Herausforderung und damit das neue Schlachtfeld der Grossmächte.
Noch vor nicht allzu langer Zeit gehörte die Militarisierung des Alls ins Reich der Fantasie und der Science-Fiction-Romane. Inzwischen, und das innerhalb weniger Jahre, sei sie zur Realität geworden, sagt der brasilianische Botschafter Guilherme Patriota. Er hat die Genfer Weltraum-Abrüstungsgespräche geleitet.
«Das Weltall ist die neue Grenze, die grosse Herausforderung und damit das neue Schlachtfeld der Grossmächte.» Entsprechend bedrohlich und reell sei die Aufrüstung im Weltraum, und zwar umso mehr, als die grossen Mächte auch am Boden auf Konfrontationskurs seien.
Washington, Peking, Moskau und nun auch Delhi treiben ihre Weltraumprogramme, von denen die meisten auch eine militärische Dimension haben, geheimnistuerisch und völlig intransparent voran. Zudem herrscht zurzeit ein starkes Misstrauen zwischen diesen Hauptstädten. Dieser Mix macht die aktuelle Entwicklung brandgefährlich. Das Risiko von Fehlbeurteilungen ist gewaltig.
Doch um was genau geht es? Unter Aufrüstung im All lässt sich manches verstehen: Etwa die Stationierung von Raketen im All gegen Ziele auf der Erde. Oder der Abschuss von Satelliten von der Erde aus. Dann der Einsatz von Laserwaffen, mit denen Satelliten «blind» gemacht werden. Ausserdem die Platzierung von Explosivstoffen auf Satelliten oder gar der Einsatz eines ganzen Satelliten zur Zerstörung eines anderen. Und schliesslich, schon längst Alltag, die militärische Nutzung der GPS-Navigation.
Die vier grössten Mächte investieren zurzeit Milliarden in solche Programme. US-Präsident Donald Trump schafft gar eine sogenannte «Space Force», also eigentliche Weltraumtruppen. Und das macht Angst. Die UNO möchte deshalb diese Entwicklung stoppen oder zumindest bremsen.
Auf dem Tisch lag ein 13-seitiger Vertragsentwurf, der von der Definition von Weltraumwaffen über humanitäre Aspekte der Militarisierung des Alls bis zu konkreten Einschränkungen und Transparenzpflichten reichte. Bloss: Erreicht wurde am Ende rein gar nichts, räumt der brasilianische Verhandlungsleiter Patriota mit grossem Bedauern ein.
Das Wettrüsten im Weltraum dürfte einstweilen ungehindert voranschreiten.
Gerade weil die Bedrohung so offenkundig ist, hatten indes viele nicht mit derart viel Widerstand der Grossmächte gerechnet. Doch die Optimisten haben sich getäuscht.
Veralteter Weltallvertrag
Zwar gilt grundsätzlich immer noch der Weltallvertrag aus den 1960er-Jahren. Nähme man ihn zum Nennwert, wäre das Weltall ausschliesslich friedlicher Nutzung vorbehalten. Doch der fünfzigjährige Vertrag basiert auf dem damaligen Wissen und den damaligen technischen Möglichkeiten. Er verbietet zwar ausdrücklich Atomwaffen im All. Doch anderes, was heute möglich ist, kommt in dem Abkommen gar nicht vor.
Was passiert also nun? Zunächst mal gar nichts, sagt der Abrüstungsdiplomat Guilherme Patriota. Ohne jeden Fortschritt gingen die Gespräche auch dieses Jahr zu Ende. Weitere Schritte, eine neue Verhandlungsrunde, ein Datum für neue Gespräche gibt es nicht. Das Wettrüsten im Weltraum dürfte einstweilen ungehindert voranschreiten.