- Die Gegner eines ungeordneten EU-Austritts haben Premierminister Boris Johnson eine Niederlage zugefügt.
- 328 Abgeordnete stimmten für einen Beschluss, der den Weg für ein Gesetz gegen einen No-Deal-Brexit ebnet – 301 waren dagegen.
- Bereits heute Mittwoch soll der Entwurf durchs Unterhaus gepeitscht werden.
- Johnson kündigte darauf einen Antrag auf vorgezogene Neuwahlen an.
Mit 328 zu 301 musste Premier Boris Johnson am späten Dienstagabend eine klare Niederlage einstecken. «Kein guter Anfang», befand ein Zwischenrufer. Dank dem Entscheid darf das Unterhaus deshalb heute Nachmittag über ein Gesetz debattieren, das die Regierung zwingt, eine Verschiebung des Austrittstermins bei der EU zu beantragen, falls sie keine gütliche Einigung erzielt.
Johnson erklärte, unter diesen Bedingungen könne er nicht mit der EU verhandeln. Sollten die Abgeordneten den Gesetzesentwurf am Mittwoch absegnen, will er über eine Neuwahl abstimmen lassen. Eine entsprechende Beschlussvorlage habe er bereits vorgelegt, sagte der Regierungschef am Abend. Um eine Neuwahl herbeizuführen ist eine Zweidrittelmehrheit der Abgeordneten notwendig.
Corbyn macht nicht mit
Doch Oppositionsführer Jeremy Corbyn winkte ab: Zuerst müsse der Aufschub des Brexitdatums rechtskräftig werden. Eine Neuwahl ist wohl unvermeidlich, weil Johnsons Regierung seit gestern offiziell in der Minderheit ist. Aber sie mag nicht dem Zeitplan Johnsons folgen.
Johnson hatte während der Debatte den geplanten Gesetzesentwurf der No-Deal-Gegner scharf kritisiert. Das käme einer «Kapitulation» gegenüber Brüssel gleich. «Es würde unseren Freunden in Brüssel ermöglichen, die Bedingungen der Verhandlungen zu diktieren», sagte der Premier.
Philipp Lee wechselte die Seite
Zuvor hatte Johnson seine Mehrheit eingebüsst. Noch während der Premierminister am Rednerpult stand, verliess der konservative Abgeordnete Phillip Lee aus Protest gegen Johnsons Brexit-Politik demonstrativ die Regierungsfraktion und nahm zwischen den Oppositionsabgeordneten Platz. Damit ist Johnsons hauchdünne Mehrheit endgültig weg.
Die Verschiebungslösung
Das Gesetz gegen den No Deal soll Johnson dazu zwingen, eine weitere Verschiebung des EU-Austritts zu beantragen, sollte bis zum 19. Oktober kein Austrittsabkommen mit der EU ratifiziert sein. Die 27 EU-Staaten müssten dem Antrag jedoch einstimmig zustimmen. Frankreich war aber schon im April anfänglich gegen die damalige Fristverlängerung. Johnson will unter «keinen Umständen» eine weitere Brexit-Verschiebung.
Während die Zustimmung des Unterhauses zu dem Gesetz nach der Vorentscheidung am Dienstag als unproblematisch galt, lauern im Oberhaus zahlreiche Fallstricke. Die Lords müssen ebenfalls über den Gesetzentwurf beraten. Dort drohen Brexit-Hardliner, mit einer Flut von Anträgen und Filibuster (Dauerreden) wertvolle Zeit zu verschwenden.
Die No-Deal-Gegner stehen unter erheblichem Zeitdruck, weil Johnson dem Parlament eine mehrwöchige Zwangspause verordnet hat, die bereits in der nächsten Woche beginnt. Die Abgeordneten sollen dann erst wieder am 14. Oktober zurückkehren. Dagegen laufen gerichtliche Verfahren, unter anderem in Schottland.